Engelslied
aus, bei der er ihr gleichzeitig einen Schlag mit dem Flügel versetzte.
Der Schlag sollte ihr nicht wehtun, sollte lediglich nun wiederum sie ablenken, aber Elena hatte aus den vergangenen Trainingsstunden mit ihm gelernt und drehte sich mit ihm, das zweite Messer, mit dem sie dabei auf seinen Flügel zielte, weiterhin fest in der Hand. Seine Gemahlin tendierte zu Fehlern, wenn sie wütend war. Normalerweise – heute jedoch nicht: Er hatte es geschafft, sie so wütend zu machen, dass sie mit eisigem Zorn völlig konzentriert kämpfte.
Nur knapp konnte er dem Messerstoß entgehen. Als Nächstes galt es, einem gezielten Fußtritt auszuweichen: Raphael stieß sich ein wenig mit den Flügeln vom Boden ab. »Du scheinst mir heute ein bisschen langsam zu sein,
Hbeebti
«, höhnte er.
Lächelnd steckte sie den Spott ein – und schleuderte ihr Messer direkt in seinen Flügel. Raphael stand falsch, er konnte der Klinge nicht rechtzeitig ausweichen, sie nagelte seinen Flügel an die Wand des Hauses. Aber wozu war er schließlich Erzengel? Der Flügel war umgehend wieder frei und Raphaels Körper bereit, sich mit weiteren Attacken auseinanderzusetzen.
»Jetzt hast du kein Messer mehr!« In Raphaels Blut tobte heftige Erregung, als er ihre Tritte und Schläge parierte. Ohne Waffen war Elena nicht mehr in der Lage, ihn wirklich zu verletzen, eine ernst zu nehmende Gegnerin blieb sie aber doch. Sie hatte sich einen einmaligen Kampfstil erarbeitet, eine Mischung aus den Techniken, die sie als Jägerin gelernt, und dem, was Galen ihr beigebracht hatte, jeweils unter Berücksichtigung ihrer eigenen Stärken und Schwächen. Außerdem war sie nicht ihr Leben lang Engel gewesen. Sie wusste nicht, dass einige Dinge für sie eigentlich gar nicht möglich sein dürften, und tat sie einfach.
Eine rasante Mischung, die immer wieder für Überraschungen sorgte, weswegen jede Trainingsstunde mit Elena Raphael mindestens so viel Spaß machte wie ihr.
Jetzt rückte sie ihm dicht auf den Leib – und hielt plötzlich zwei weitere Messer in der Hand, die direkt auf seinen Hals zielten. Raphael blockte mit einem Manöver ab, das er von Alexander gelernt hatte, als dieser Erzengel noch keine Bedrohung in ihm sah »Du schummelst!«
»Ach ja?« Ein zuckersüßes Lächeln. »Mir war nicht klar, dass wir hier fair spielen!« Und wieder blitzten die Klingen. Raphael und Elena bewegten sich mit einer Geschwindigkeit und Wildheit, die ihnen bereits ein aufmerksames Publikum beschert hatte: Isabel, Naasir und Keir waren auf die Balkone ihrer Suiten getreten. Irgendwer klatschte, als Elena Raphael am Unterarm erwischte und Blut floss.
Aber Raphael war auch nicht mehr unbewaffnet, er hatte eine Klinge, die er sich aus dem Flügel gezogen hatte. So ignorierte er seine Verletzung einfach und schaffte es, Elena mit dem Messer an der Wange zu berühren. Nur sanft, nur so, dass es als Treffer gelten konnte, denn die Haut seiner wunderschönen, leidenschaftlichen Gefährtin heilte nicht so schnell wie seine, aber sie war sichtlich aufgebracht darüber, dass er ihr so nah hatte kommen können.
Ehe sie sich aus dieser Nähe einen Vorteil verschaffen konnte, hatte er sich auch schon aus ihrer Reichweite gedreht und näherte sich ihr von hinten.
Da schleuderte sie ihre beiden Messer über ihre Schultern, ohne sich umzudrehen.
Diese Taktik war ihm neu und traf ihn völlig unerwartet. Eins der Messer hätte ihn um ein Haar mitten in der Brust erwischt, nur seine Beweglichkeit rettete Raphael vor einer Wunde, die nicht unter zehn Minuten geheilt wäre. Elena, die sich gleich nach dem Wurf umgedreht hatte, holte zu einem Tritt aus, um Raphaels Überraschung weiter auszunutzen, hatte dabei aber ihre Flügel vergessen.
Er griff sich einen, zog Elena ganz dicht an sich heran und hielt ihr sein Messer an den Hals. »Ich gewinne!«, sagte er mit heftig wogender Brust.
Eine rasche Bewegung und sie hatte ihm das Messer entwunden. Er spürte einen Stich. »Ach ja?«
Lächelnd beugte er sich vor, um sie zu küssen, halb in Erwartung einer scharfen Klinge in seiner Brust. Aber Elena erwiderte seinen Kuss heiß und wütend. »Wenn du mich je wieder mit Tasha aufziehst«, keuchte sie, als ihre Lippen sich voneinander lösten, »schneide ich dir die Eier ab.«
Raphael zuckte zusammen. »Um mich davon zu erholen, bräuchte ich mindestens einen Tag! Bist du sicher, du kannst meine … Attribute so lange entbehren?«
Elenas Lippen zuckten, ihre Augen funkelten hell.
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