Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
Vom Netzwerk:
dieser Bitte stöhnend nachkam, schob Elena ihr den linken Flügel unter den Körper, den entsprechenden Arm unter den Kopf, und so lagen die beiden dicht nebeneinander und sahen hinauf zu den Oberlichtern in der Decke, die wirklich wunderschön waren: ein glitzerndes Splitterwerk an Licht.
    »Tut es nicht weh, wenn ich auf deinem Flügel liege? Ich bin wirklich schwer.«
    »Es tut nicht weh, und du bist überhaupt nicht schwer.« Bei Eve vereinte sich der zierliche Knochenbau ihrer Mutter mit kraftvollen Muskeln. Zweifellos würde sie zu einem schlanken kleinen Dynamo heranwachsen.
    »Ich habe eine ziemliche Lage Babyspeck auf den Rippen – das hat die Mutter einer Freundin jedenfalls mal hinter meinem Rücken gesagt, aber ich habe es trotzdem gehört.« Das sagte sie ganz ruhig, als würde es ihr wenig ausmachen. »Ein Schwan wie Amy und Mom oder du werde ich wohl nie. Ist auch okay.« Eine nachdenkliche Pause. »Ich wäre gern ein klein bisschen weniger fett, aber ich steh total auf Kuchen.«
    Elena spürte, wie sie eine überwältigende Welle der Zuneigung überkam. »Soll ich dir eine Geschichte erzählen?«
    »Okay.«
    »Beth und ich, wir hatten zwei ältere Schwestern. Wusstest du das?« Es wunderte Elena nicht, dass Eve den Kopf schüttelte, aber es tat weh, wieder einmal daran erinnert zu werden, wie gründlich ihr Vater die langbeinige junge Tänzerin begraben hatte, mit der er so oft in ihrer alten Küche Walzer getanzt hatte. Ebenso gründlich wie seine immer ein bisschen ernste Zweitgeborene, mit der er sich beim Frühstück über die Entwicklung auf den Finanzmärkten zu unterhalten pflegte. »Die beiden hießen Mirabelle und Ariel.«
    »Sind sie gestorben?« Die Frage kam leise, während Eve ihre Hand in die von Elena schob.
    »Ja. Sie sind gestorben.« Wie schwer es doch war, diese Worte auszusprechen. »Ari wollte sich immer gern um alle kümmern und hat uns ziemlich rumkommandiert.«
    »Amy kommandiert mich auch rum, aber das macht sie, weil sie mich liebt.«
    »Ja.« Elena lag ein Kloß im Hals, als sie daran denken musste, wie Ari sie einmal ausgeschimpft hatte, weil sie zu schnell die Treppe hinuntergelaufen war, nur um sie gleich darauf liebevoll an sich zu drücken, weil sie gesehen hatte, wie Elenas Unterlippe zitterte. »Belle hatte ihre Launen, aber sie hat nie zugelassen, dass jemand gemein zu mir war.«
    »Hört sich an wie eine nette Schwester.«
    »Das war sie.« Elena konzentrierte sich auf die glücklichen Erinnerungen, kämpfte gegen die blutbespritzten Schatten, die sich über ihre Freude zu legen drohten. »Und sie war Tänzerin. Wenn man Belle tanzen sah, dann war das, als sähe man dem Wind zu.«
    »Ich wette, sie hat viel geübt.«
    »Oh ja.« Stundenlang, wild entschlossen, irgendwann einmal in einem berühmten Ensemble zu tanzen. »Aber weißt du, was das Beste war?«
    »Nein, was denn?«
    »Als sie jünger war, sah sie genauso aus wie du jetzt.« Auch Belle hatte aufgrund ihres hartnäckigen Babyspecks leicht stämmig gewirkt. »Ich habe Fotos gesehen. Aber das Tanzen hat ihr sehr schnell schlanke, starke Muskeln beschert, und genau das wird die Jägerausbildung für dich tun.«
    »Ich gehe gern in die Akademie, auch wenn ich manchmal blaue Flecken bekomme.« Eve strich sanft über die innere Oberfläche von Elenas Flügel. »Ellie?«
    »Ja?«
    »Ich habe Angst.«
    Elena zog ihre Schwester in ihre Arme. »Ich weiß, Kleines, ich weiß.«
    Eve hatte sich am Abend zuvor mit ihrem Lehrer in Verbindung gesetzt und von ihm per Mail den Unterrichtsstoff des heutigen Tages zugesandt bekommen. Elena setzte ihre Schwester samt Laptop an den Küchentisch und wollte gerade losfliegen, als ihr Montgomery auf die Klippen hinaus nachrief, Miss Evelyns Mutter warte am Tor.
    »Sie soll reinkommen.« Resigniert faltete Elena die Flügel zusammen. Gwendolyn war bestimmt die Nacht durchgefahren, nachdem sie die Nachricht erhalten hatte, die ihr Elena durch das Jägernetzwerk persönlich hatte übermitteln lassen.
    »Wo ist Eve?« Jeffreys Frau hatte tiefe Ringe unter den blauen Augen, als sie aus ihrem schwarzen, dreckverschmierten Geländewagen kletterte.
    »Sitzt drin am Computer und lernt. Ich mochte sie nicht in die Schule schicken, ich wollte erst abwarten, bis Sie zurück sind.«
    Gwendolyn strich sich mit zitternder Hand durch das rabenschwarze Haar. »Ich komme gerade von zu Hause. Jeffrey …« Sie unterbrach sich verlegen und Wände aus höflicher Zurückhaltung gingen hoch, als ihr

Weitere Kostenlose Bücher