Engelslieder
ein weiteres Wort und kam in dieser Nacht nicht zu ihr. Sie hatte denselben Traum und lag danach stundenlang wach – verstört von den düsteren, vertrauten Bildern. Sie vermisste Ben und fragte sich, ob ihre kurze Affäre schon zu Ende war.
Fest entschlossen, nicht an Ben zu denken, traf sich Autumn am Dienstag mit Terri zum Mittagessen bei The Shack. Zu dieser Tageszeit war der Laden rappelvoll. An gefakten Butcherblock-Tischen saßen Touristen und Einheimische. Die Freundinnen hatten es sich in einem der Separees im hinteren Teil bequem gemacht, wo man sich besser unterhalten konnte und die Fünfzigerjahremusik, die im Hintergrund plärrte, nicht so ohrenbetäubend laut war.
“Und, wie geht die Suche voran?” Terri nahm eine Gabel von ihrem Salat und spülte ihn mit einem Schluck Eistee herunter. Sie beide hatten gegrilltes Hühnchen auf Caesars Salad bestellt, eine Spezialität des Hauses.
“Nichts Neues, seitdem sich letzte Woche der Traum verändert hat. Nach unserem Gespräch mit der Polizei über das andere kleine Mädchen hoffen Ben und ich, dass wir endlich ein Stückchen vorankommen. Bisher haben wir noch nichts gehört, aber sie haben versprochen, uns Bescheid zu geben, sobald sie etwas gefunden haben.”
“Das klingt vielversprechend.” Terri vertiefte sich in ihren Salat und sah dabei so hübsch aus wie immer. Das dunkle Haar glänzte, und ihre blauen Augen strahlten unter den langen, dichten Wimpern. Sie nahm noch einen Schluck Tee. “Ich kann es kaum glauben, dass dein Dad tatsächlich geheiratet hat. Ehrlich, das ist das Letzte, was ich ihm zugetraut hätte.”
Autumn spießte ein Salatblatt mit der Gabel auf. “Wem sagst du das?”
“Glaubst du, er wird Myra treu sein? Ich frage mich einfach, ob er ihr immer treu war, seit sie zusammen sind.”
“Das bezweifle ich. Er war noch nie irgendeiner Frau treu.”
“Du weißt ja, wie es in der Bibel heißt: Ein Leopard wird seine Flecken nicht ändern.”
“Ja, ich weiß.” Autumn kämpfte mit sich, um nicht an Ben zu denken.
“Und was macht dein Liebesleben? Ich schätze, die Sache mit dir und dem Adonis ist immer noch aktuell?”
Autumn zuckte die Schultern. Vor dem Teil der Unterhaltung hatte sie sich gefürchtet, aber Terri war ihre Freundin, also konnte sie nicht ausweichen. “Wir haben Spaß miteinander. Wir haben eine Affäre, genau so wie du vorgeschlagen hast. Was den Sex betrifft, könnte es nicht besser sein.” Abgesehen davon, dass Ben seit zwei Nächten nicht in ihrem Bett gelegen hatte. Eigentlich hätte ihr das nichts ausmachen dürfen. Schließlich lebten sie ja nicht zusammen. Aber trotzdem – anscheinend mied er sie, und sie verstand nicht, weshalb.
“Und was ist mit dem Rest der Beziehung?”, hakte Terri nach.
“Es gibt keinen
Rest
.” Autumn spielte mit dem Salat herum, ohne einen Bissen zu nehmen. “Es ist nur ein Abenteuer, erinnerst du dich? Wir schlafen miteinander.”
Oder schliefen.
“Ben geht zur Arbeit, genauso wie ich. Die restliche Zeit verbringen wir damit, das Puzzle zusammenzusetzen, das uns beide noch in den Wahnsinn treibt.” Sie vergrub die Zinken der Gabel tief im Salat und wechselte hektisch das Thema. “Was ist mit dir? Hast du schon was Neues im Fadenkreuz?”
Terri wich ihrem Blick aus und spielte mit der Gabel. “Eigentlich nicht. Ich hab neulich Josh Kendall getroffen. Ich dachte … keine Ahnung … vielleicht sollten wir mal zusammen ausgehen.”
Autumn runzelte die Stirn. “Josh hat doch was mit Courtney Roland. Ich dachte, die Sache wäre ernst.”
Terri warf sich eine dunkle Locke über die Schulter. “Na ja, sie sind ja nicht verlobt oder so was. Und Josh kennt sie ja auch noch gar nicht so lange.”
Autumn taxierte das hübsche Gesicht ihrer Freundin. “Du hast dich nie für Josh interessiert. Warum hat sich das plötzlich geändert?”
Terri zuckte die Achseln. “Josh war immer einfach da. Ich habe in ihm wohl nie mehr als einen guten Freund gesehen.”
“Aber jetzt, wo er sich offenbar für eine andere interessiert, gefällt es dir nicht. Stimmt’s?”
Terri setzte sich etwas aufrechter hin. “Josh war jahrelang in mich verliebt. Du weißt das, und ich weiß das. Was dieses Mädchen betrifft, macht er sich selbst etwas vor. Er liebt sie nicht, und ich will nicht, dass er verletzt wird.”
“Also willst du ihn vor sich selbst retten.”
“So ungefähr.”
“Und was passiert mit Josh, wenn er langweilig für dich wird?”
Sie spießte die letzten
Weitere Kostenlose Bücher