Engelslieder
schämen, dass du ihn magst, meine Kleine. Ich freue mich, dass deine Mom jemand Nettes kennengelernt hat.”
Katie wirkte erleichtert. Ein Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. “Kann es endlich losgehen, Dad?”
“Aber hallo. Auf geht’s!”
Nach einigen Stunden fühlte Autumn sich wohl im Kajak, und die Sache machte ihr großen Spaß. Es war herrlich, wieder auf dem Wasser zu sein. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie die Kanuausflüge mit ihrem Dad vermisst hatte.
Alles in allem war es ein grandioser Nachmittag, auch wenn ihr, als der Tag sich dem Ende zuneigte, in der Beziehung zwischen Ben und Katie etwas Seltsames auffiel. Sosehr er seine Tochter offenbar auch liebte – er bewahrte stets eine gewisse Distanz zu ihr. Zunächst dachte Autumn, das sei einfach seine Art, aber mit ihr war er ja auch anders. Ihr kam er sogar gefährlich nahe.
Sie wurde den Gedanken nicht los, dass Mollys Verschwinden die Erklärung für sein Verhalten Katie gegenüber war. Soweit sie es beurteilen konnte, kam er seinen väterlichen Pflichten zwar nach, tat jedoch nichts darüber hinaus. Sie hatte Mitleid mit dem Mädchen, das seinen Dad mit großen Augen anhimmelte und gelegentlich Hinweise einstreute, wie gern es mehr Zeit mit ihm verbringen würde.
Ben gelang es zwar stets, das Minenfeld gekonnt zu überqueren, ohne dabei Gefühle zu verletzen, aber trotzdem …
“So, Mädels, ich glaube, wir müssen langsam nach Hause”, sagte er am späten Nachmittag. “Katie, du warst fantastisch. Du wirst mal ein richtiger Profi werden. Und du, Autumn, hast dich für dein erstes Mal auf dem Wasser gut geschlagen.”
“Ja, Dad, sie war super!”
Autumn grinste. Sie war der Zehnjährigen schon vollkommen verfallen. Vielleicht lag es daran, dass Autumn sich Molly so nah fühlte und die Schwestern einander so ähnlich sahen. Katie war niedlich und offen und wie ihr Vater eine ausgezeichnete Sportlerin. Vielleicht würde Autumn ihr irgendwann einmal das Klettern beibringen.
Sie schob den Gedanken beiseite. Sobald sie Molly gefunden hätten, wäre ihre Beziehung mit Ben zu Ende. Dann gäbe es keinen Grund mehr, ihn weiterhin zu sehen. Und vermutlich würde sie ihn bis dahin ohnehin langweilen.
Autumn spürte ein trauriges, kleines Beben in der Magengegend und zwang sich, sich wieder auf Katie zu konzentrieren.
“Ich muss zugeben, dass es mir viel Spaß gemacht hat”, sagte sie. “Ich liebe es, auf dem Wasser zu sein.”
“Ich auch.” Katie streckte den Arm aus und fasste sie an der Hand. Autumn verschränkte die Finger mit ihren, und als sie Ben ansah, fiel ihr auf, dass sein Gesichtsausdruck weicher geworden war.
Autumn lächelte Katie an, deren Grinsen ein kleines Grübchen auf ihre Wange zauberte. Im nächsten Augenblick erspähte sie eine Frau, die auf sie zukam. Sie trug einen gelben Bikini, der die Kurven ihres großen, sonnengebräunten Körpers betonte, und hatte lange honigblonde Haare.
“Ben McKenzie? Bist du das wirklich?”
Ben lächelte. “Ich fürchte schon, ja.”
Jetzt stand die Frau direkt vor ihm, beugte sich zu ihm hinüber und platzierte einen flüchtigen Kuss auf seinen Lippen. “Wie schön, dich zu sehen. Wie lange ist das jetzt her?”
“Ich nehme seit vier Jahren nicht mehr an Wettkämpfen teil. Also vermutlich seitdem.” Er drehte sich um. “Charlie, du erinnerst dich sicher an meine Tochter Katie, und das ist Autumn Sommers. Autumn, das ist eine alte Freundin, Charlene Brockman. Alle nennen sie Charlie.”
“Freut mich”, sagte Charlene knapp, widmete dann jedoch Ben wieder ihre volle Aufmerksamkeit und schwelgte in Erinnerungen.
Katie flüsterte Autumn zu: “Charlie ist eine preisgekrönte Kajakfahrerin. Sie reist zu Wettbewerben in der ganzen Welt. Du hast sie bestimmt schon im Fernsehen gesehen.”
Sie war zu sehnig, zu athletisch gebaut, als dass sie als Filmstar durchgegangen wäre, aber Charlie Brockman kam nahe heran. Während sie sich mit Ben unterhielt, stand sie eine Spur zu dicht neben ihm und berührte ihn mit einer Unbefangenheit, die klarmachte, dass sie sich gut kannten –
sehr
gut. Autumn spürte, wie ihr Gesicht mit jedem Wort heißer vor Eifersucht wurde.
“So, jetzt müssen wir aber wirklich los”, sagte Ben schließlich.
Charlie wandte sich an Autumn. “War schön, Sie kennenzulernen.”
“Ganz meinerseits”, erwiderte Autumn und wünschte sich, sie hätte die Frau nie gesehen. Als sie die langbeinige Blondine davongehen sah, drehte
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