Engelslieder
Jedediah Beecher – Samuel Beechers Söhne. Ich weiß zwar noch nicht, wie ich die Polizei davon überzeugen soll, mich mit ihnen sprechen zu lassen, aber ich werde schon einen Weg finden. Ich rufe dich an, wenn ich zurück bin.”
“Kommt nicht infrage. Wenn du ohne mich dorthin fährst, bist du verrückt. Ich komme mit.”
“Diesmal nicht. Du wurdest schon einmal verletzt. Ich werde nicht riskieren, dass so etwas noch mal passiert.”
“Ich komme mit, Ben. Entweder mit dir, oder ich fahre selbst.”
Er biss die Zähne zusammen. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass das keine leere Drohung war.
“Verdammt noch mal, Autumn …”
“Ich meine es ernst, Ben.”
Er seufzte resigniert. “Also gut. Ich hole dich in zwanzig Minuten ab.”
“Ich warte unten auf dich.” Sie legte auf, bevor er noch etwas sagen konnte. Er hätte wissen müssen, dass sie mitkommen würde. Es war nicht ihre Art, einfach nur stumm zuzusehen.
Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte Ben. Autumns gehöriger Schneid war nur ein Grund mehr dafür, dass er sich bis über beide Ohren in sie verliebt hatte.
Ben war spät dran. Da er sonst immer pünktlich war, fing Autumn an, sich Sorgen zu machen. Nervös ging sie in der schmalen, gefliesten Lobby ihres Apartmentkomplexes auf und ab, ohne dabei die Straße aus den Augen zu lassen. Keine Spur von Bens Pick-up. Sie sah zum x-ten Mal auf die Uhr und wollte gerade ihr Handy aus der Tasche holen, um zu fragen, wo er blieb, als es klingelte.
Sie erkannte seine Handynummer und nahm das Gespräch ab. “Was ist passiert, Ben?”
“Der verfluchte Pick-up will nicht anspringen. Wahrscheinlich habe ich gestern die Innenbeleuchtung angelassen. Die Jungs vom Pannendienst sind unterwegs, aber ich kann nicht so lange warten. Wir können natürlich den Mercedes nehmen, aber …”
“Wir nehmen mein Auto. Wie du neulich gesagt hast, der Mercedes fällt zu sehr auf. Ich bin in fünf Minuten da.”
Sie flitzte in die Tiefgarage, schloss den Wagen auf und warf ihre Reisetasche auf den Rücksitz, wo die Tasche mit der Kletterausrüstung lag, die sie immer dabeihatte. Nur wenige Minuten später fuhr sie an den funkelnden Bay Towers vor, entdeckte Ben auf dem Gehweg und hielt am Rinnstein.
Er beugte sich zum Beifahrerfenster hinunter. “Soll ich fahren?”
“Es ist ja nicht so weit. Du kannst übernehmen, wenn wir dort sind.”
Erstaunlicherweise protestierte er nicht, sondern stieg ein und ließ sich in den Sitz fallen. Die angespannten Schultern und der unbewegliche Kiefer verrieten, wie nervös er war.
“Ich hätte nicht gedacht, dass es so ausgeht”, sagte er.
Sie steuerte den Wagen auf die Autobahn. “Du dachtest, das Gesetz würde sie schützen.”
“Nach unserem Treffen mit Sheriff Crawford habe ich geglaubt, das könnte passieren, ja.”
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. “Ich frage mich, ob einer der Brüder der blonde Mann ist.”
Ben seufzte. “Einerseits hoffe ich es, aber andererseits …”
“Andererseits wünschst du das Molly nicht.”
Er antwortete nicht, doch sie wusste, dass er genau das dachte.
Sie fädelte den kleinen Geländewagen in den Verkehr ein und fuhr stadtauswärts Richtung Norden.
“Dein letzter Traum …”, begann Ben. “Ich habe viel darüber nachgedacht.”
“Ich auch.”
“Sarah war schwanger.”
“Ja.”
“Du sagst, sie war jung. Höchstens fünfzehn.”
“Schätzungsweise, ja.”
“Also schläft er mit ihr, obwohl sie noch ein Kind ist.”
“Wir wissen nicht sicher, ob das Baby von ihm ist.”
“Aber du glaubst es doch. Du glaubst, dass er auch mit Rachael schläft.”
Autumn erwiderte nichts. Genau das dachte sie. “Da ist noch etwas … etwas, das mich die ganze Zeit beschäftigt. Rachael sagte, sie hätten nur noch wenig Zeit. Sie sagte: ‘Du willst doch hübsch für ihn sein, oder? Du willst ihn doch glücklich machen.’”
“Und?”
“Ich sehe ständig das Kleid vor mir, das Molly trug.” Wieder warf sie Ben einen schnellen Blick zu. “Du hast gesagt, ihr Geburtstag sei am ersten August. Das ist in ein paar Tagen.”
Ben setzte sich aufrechter hin. “Und weiter?”
“Molly wird zwölf Jahre alt. In einigen Gegenden ist das alt genug, um zu heiraten.” Sie wollte den Rest nicht laut aussprechen. Sie wusste, was das für Ben bedeutete. Aber ihnen lief die Zeit davon. “Es sah aus wie ein Hochzeitskleid, Ben.”
“Was?”
“Nicht wie die modernen heute, sondern wie ein altmodisches Kleid, das die
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