Engelslieder
begangen. Ich habe nur Gottes Willen umgesetzt. Er hat mit mir und Joseph gesprochen und uns genau gesagt, was wir tun sollen.”
“Gott hat Ihnen gesagt, Sie sollen Priscilla Vreeland umbringen?”
“Genau.”
“Aber war es nicht auch Gott, der sagte ‘Ihr sollt nicht töten’?”
“Er ist der Allmächtige. Er muss sich nicht erklären. Er befiehlt, und wir folgen. Außerdem wurde sie gewarnt – mehrmals. Sie wollte einfach nicht hören. Sie steckte von dem Tag an in Schwierigkeiten, als Isaac sie geheiratet hat. Er und mein Vater sind ihretwegen ständig in Streit geraten.”
“Ihr Vater hat sich mit Isaac Vreeland gestritten?”
Beecher nickte. “Er ist mein Cousin.”
Ben griff in die Manteltasche und holte das Phantombild des blonden Mannes hervor. “Ihr Cousin sieht diesem Mann ziemlich ähnlich. Ist das Ihr Bruder Joseph?”
Beecher streifte das Bild mit einem Blick und schüttelte den Kopf. “Nein.”
“Sehen Sie noch einmal genau hin.”
Nun sah sich Beecher die Zeichnung eingehender an. Im nächsten Moment veränderte sich sein Gesichtsausdruck, wurde wachsam. Als erkenne er den Mann.
“Es ist nicht Joseph”, fuhr Ben fort. “Aber Sie wissen, wer es ist, nicht wahr?”
Beechers Schultern verspannten sich. “Was wollen Sie von ihm?”
“Wer ist es?”, drängte Ben.
Jed Beecher zuckte die Achseln. Es war klar, dass er es wusste, und genauso klar war, dass er es nicht verraten würde.
Ben verlor die Beherrschung. Er griff über den Tisch, packte Jed an der orangefarbenen Gefängniskluft und riss ihn vom Stuhl hoch. “Dieser Mann hat meine Tochter entführt. Sag mir, wer das ist!”
Beechers Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. “Sie gehört jetzt ihm. Ihr Leben mit dir ist Vergangenheit.”
Ben schüttelte Beecher. “Sag mir seinen Namen, verdammt noch mal!”
Die Tür wurde aufgerissen, und zwei Polizeibeamte stürmten herein. “Das reicht, McKenzie. Raus mit Ihnen, ehe Sie in der Zelle nebenan landen.”
Ben ließ Beechers Hemd los. Einen Augenblick lang ballte er die Hände so stark zu Fäusten, dass sie zitterten. Er atmete tief durch, und Autumn spürte förmlich, wie er um Beherrschung rang. “Wir müssen herausfinden, wer dieser Mann ist”, wandte er sich an einen der Polizisten.
Beide Officer sahen sich das Phantombild an. “Den kennen wir nicht. Und jetzt raus hier. Verschwinden Sie, bevor wir Sie mit Gewalt hinausbefördern.”
Ben streckte den Arm nach Autumn aus, die ihre Finger mit seinen verschränkte und sanft zudrückte. Seinetwegen schmerzte ihr das Herz. Sie waren so dicht dran und doch so weit entfernt. Ben führte sie aus dem Raum, den Flur entlang und aus dem Gebäude.
“Von der örtlichen Polizei haben wir wohl keine Hilfe mehr zu erwarten”, brummte er finster.
“Ist doch egal. Wir werden ihn so oder so finden. Wir wissen, dass er einer von ihnen ist. Und wir wissen, dass er hier oben in den Bergen lebt.”
“Sie ist noch nicht mal zwölf, sie ist noch ein kleines Mädchen. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass er ihr wehtut.”
“Wir werden sie finden, Ben, das schwöre ich.”
Ben sah sie mit einem verletzten Ausdruck in den Augen an. “Wenn es dann nur nicht zu spät ist.”
28. KAPITEL
“W ir müssen noch mal da rauf.” Noch immer wurde das Adrenalin durch Bens Adern gepumpt. “Nach Ash Grove. Wir müssen irgendjemanden finden, der diesen Mann kennt, und ihn zum Reden bringen.”
Autumn lief neben ihm her zum Auto und nickte nur. Falls sie Angst vor dem hatte, was sie dort oben möglicherweise erwartete, konnte Ben es ihr nicht ansehen.
Uns wird nichts passieren
, schwor er sich,
dieses Mal nicht
. Die Springfield hatte er in seinem Leinenbeutel verstaut, und falls notwendig, würde er sie benutzen.
“Am besten, wir sprechen mit Isaac Vreeland”, schlug Autumn vor, als sie an ihrem Wagen ankamen und Ben zur Fahrertür ging. “Beecher sagte, Isaac und Samuel hätten sich ständig wegen Priscilla gestritten. Inzwischen wurde er bestimmt von der Verhaftung der Beecher-Brüder unterrichtet. Jetzt, da er weiß, wer seine Ehefrau umgebracht hat, ist er vielleicht bereit zu reden.”
Ben schlüpfte hinters Steuer und stellte den Sitz zurück. “Gute Idee. Dann mal los.”
Auf dem Weg zurück nach Ash Grove hatten sie gerade die Hälfte der Autobahn 20 zurückgelegt, als Bens Handy klingelte. Er nahm es vom Armaturenbrett und ging dran. Vom anderen Ende der Leitung war Pete Rossis Stimme zu vernehmen.
“Wie ist
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