Engelslieder
Sie stehen in Verbindung mit der Kirchengemeinde Brethren. Die praktizieren Polygamie, Pete. Ihr Anführer ist ein Typ namens Samuel Beecher. Finden Sie auch über ihn alles heraus.”
Ben legte auf und fuhr weiter. “Wenn er sie angefasst hat, bringe ich ihn um.”
27. KAPITEL
A utumn lag neben Ben und starrte an den Baldachin über ihrem Bett. Ben schlief. Er war erschöpft gewesen und sehr besorgt um seine Tochter. Pete Rossi hatte sich noch nicht wieder gemeldet.
Sie drehte den Kopf auf dem Kissen, sodass sie sein Gesicht sehen konnte. So ein hübsches Gesicht, schön und männlich.
Mit jedem Tag gewann sie dieses Gesicht etwas mehr lieb. Sie hatte noch nie so für einen Mann gefühlt, wie sie für Ben fühlte, hatte noch keinen Mann so nah an sich herangelassen. Nicht einmal Steven Elliot.
Ihr war beklommen zumute. Von dem Moment an, als sie in dem Motel aufgewacht war und einer der drei Männer in ihrem Zimmer eine Waffe auf Bens Kopf gerichtet hatte, hatte sie gewusst, dass sie in ernsthaften Schwierigkeiten steckte. Sosehr sie sich auch gefürchtet hatte, sie hatte noch größere Angst um Ben gehabt. Sie war dabei, sich Hals über Kopf in ihn zu verlieben, obwohl sie wusste, dass es genau das Falsche war.
Sie befahl sich, ihre Gefühle wegzusperren, sagte sich, dass sie jetzt keine Zeit hatte, sich mit ihren Empfindungen für Ben zu befassen. Das würde warten müssen, bis sie Molly gefunden hätten.
Und sie
würden
sie finden, das schwor sie sich. Sie waren nicht so weit gekommen, um jetzt noch zu verlieren. Sie würde Ben seine Tochter zurückbringen, egal, welchen Preis sie dafür vielleicht zahlen musste.
Mit schweren Augenlidern kuschelte sie sich in ihr Kissen. Vor lauter Erschöpfung fühlte sich ihr Körper wie Blei an. Obwohl sie hundemüde war, hatte sie Angst einzuschlafen, fürchtete sie sich vor dem, was sie in ihren Träumen sähe. Ihre Nacken- und Schultermuskulatur schmerzte von dem Kampf mit dem Mann im Motel, und ihre Augen fühlten sich an, als wären sie voller Sand. Trotzdem kämpfte sie, um noch ein wenig länger wach zu bleiben. Wenn sie nur müde genug war, müsste sie den Traum womöglich gar nicht träumen.
Es war kurz nach Mitternacht, als sie den Kampf gegen die Müdigkeit verlor und einschlief.
Um halb drei begann sie zu träumen.
Sie war wieder in dem Haus, in dem Molly lebte, in der dunstigen Küche mit dem langen Holztisch und der altmodischen Deckenlampe. Molly war da, zusammen mit Rachael und dem kleinen Mädchen, das die Frauen Mary nannten. Doch im Gegensatz zu sonst war der blonde Mann nicht bei ihnen, und es war auch keine Abendbrotzeit.
Die Zeiger auf der alten Eichenuhr über der Küchentür zeigten vier Uhr nachmittags. Autumn sah, wie Molly auf einen Stuhl neben dem Tisch stieg.
“Ich muss nur noch den Saum abstecken”, sagte Rachael, “dann sind wir fertig.”
Molly antwortete nicht, sondern stand einfach nur da und starrte auf ihre Füße, die in flachen, derben Lederschuhen steckten. Sie trug ein Kleid mit hoch angesetzter Taille, unter dessen Stoff sich die zarte Wölbung ihrer Brüste abzeichnete. Das Kleid reichte ihr bis zu den Knöcheln. Weißer Baumwollstoff, der an Mieder und Rocksaum mit kleinen rosa Blümchen bestickt war.
“Wir haben nicht mehr viel Zeit”, sagte Rachael.
“Ich weiß.” Molly bewegte sich, und Rachael zog an dem Kleid.
“Zappel nicht so herum, Ruthie. Das habe ich dir schon hundertmal gesagt.” Sie faltete den Saum nach oben und steckte ihn mit einer Nadel ab. “Du willst doch hübsch für ihn sein, oder? Du willst ihn doch glücklich machen.”
“Ja, schon.”
Sarah, das Mädchen im Teenageralter, spielte mit ihrem Kleid. Es war aus bedruckter Baumwolle und reichte ihr weit bis über die Knie. “Ich mache ihn nie glücklich, ganz egal, was ich tue.”
“Das stimmt doch nicht.” Rachael steckte noch eine Nadel in den Saum von Mollys Kleid.
“Stimmt wohl”, widersprach Sarah und drehte sich um. Sie strich sich mit der Hand über den Bauch. Autumns Herz begann wild zu hämmern.
Sie hielt einen Schrei zurück, als sie im Bett hochschoss und Ben neben ihr aufwachte. Sie schluckte, als er nach ihrer Hand griff. Noch immer sah sie die Kontur von Sarahs Körper vor sich – die Rundung des Babys, das sie in ihrem jungen Bauch trug.
Ben saß in seinem Büro.
Nach Autumns Traum war er zur Arbeit gefahren. Er hatte es nicht mehr ausgehalten, musste irgendetwas anderes tun, als nur an Molly zu denken. Sonst
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