Engelslieder
Ausrüstung und demonstrierte im Anschluss einige Klettertechniken. Während der Stunde konzentrierte Autumn sich voll und ganz auf ihre Schüler und half ihnen, die besten und sichersten Methoden für die Begehung einer Route zu erlernen. Sie gestattete ihren Gedanken nicht, zur kleinen Molly McKenzie und dem Schicksal zu wandern, das sie möglicherweise in Gestalt von Gerald Meeks ereilt hatte.
Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass sich der Gedanke in ihrem Hinterkopf festkrallte. Kaum war der Kurs vorbei, zog sie sich um und machte sich auf den Weg zur Bibliothek.
Sie überflog die Dateien genauso methodisch wie am Vortag. In den Zeitungen standen Dutzende Artikel über Meeks, über seine Verhaftung, über den langwierigen Prozess bis zum Urteil “lebenslange Freiheitsstrafe”.
Als Autumn in einem der Berichte über Molly McKenzies Namen stolperte, hielt sie kurz inne. Dann entdeckte sie ihn in weiteren Artikeln.
Obwohl Meeks nur den Mord an zwei Kindern gestanden hat, deren Leichen am Grund einer Schlucht gefunden wurden, in der er sie offenbar deponiert hatte, wird vermutet, dass er auch für den Tod der sechsjährigen Molly McKenzie verantwortlich ist, die in der Gegend zur selben Zeit ebenfalls als vermisst gemeldet wurde.
Anscheinend hatte Meeks das Verbrechen nie zugegeben – jedoch auch nicht geleugnet. In einem der Artikel stand, die Beschreibung des Mannes, die die Polizei anhand von Zeugenaussagen angefertigt habe, weise nur entfernte Ähnlichkeit mit Gerald Meeks auf. Da die Zeugen allerdings nicht älter als sieben Jahre seien und die Beschreibungen stark voneinander abwichen, folgere man, dass Meeks der für Mollys Entführung und Ermordung verantwortliche Mann sei.
In einer späteren Zeitungsausgabe fand Autumn erneut einen Bericht über die Anstrengungen, die die Polizei unternahm, um aus Meeks Informationen über den Verbleib von Mollys Leiche herauszubekommen. Aber der vermeintliche Täter legte niemals ein Geständnis ab und verriet der Polizei auch nie, wo er sein Opfer begraben hatte.
Weil er sie nicht umgebracht hat!
Kaum war der Gedanke an die Oberfläche gekommen, konnte Autumn ihn nicht mehr abschütteln. Die Fotos von Gerald Meeks erhärteten ihren Verdacht. Zwar schien er genauso groß zu sein wie der Mann in ihren Träumen, jedoch war er dünner und hatte braunes Haar; ein finsterer Kerl mit den tief liegenden Augen eines Räubers und kein sympathischer, freundlich dreinschauender Mann wie der aus ihrem Traum.
Zudem hatte Meeks seine Opfer laut Zeitungsinformationen mit Chloroform betäubt und in sein Auto gezerrt.
Molly hingegen war gemäß ihrem, Autumns, Traum von einem Mann mit einem Welpen auf dem Arm weggelockt worden.
Überzeugter als je zuvor schwor Autumn sich, Ben McKenzie dazu zu bringen, sie wenigstens anzuhören.
Doch wie sollte sie an ihn herankommen?
Zu seinem Büro hatte sie schließlich Zutrittsverbot. Sie könnte versuchen, mit seiner Exfrau zu sprechen, aber damit zöge sie auch ihre jüngere Tochter Katie mit in die Sache hinein. Und das wäre unfair einem Kind gegenüber, das mit Sicherheit schon viel hatte erleiden müssen. Außerdem war Autumn sicher, McKenzie würde tatsächlich eine einstweilige Verfügung gegen sie erwirken, wenn sie sich seiner Familie näherte.
Außerdem glaubte Autumn, dass Ben McKenzie der Schlüssel zu allem war. Sie hatte weder ihn noch seine Exfrau je zuvor gesehen und erst von Molly zu träumen angefangen, nachdem Ben ihr im Fitnessclub aufgefallen war.
Was sollte sie tun?
Es würde nicht einfach werden, doch vielleicht würde McKenzie ihr zumindest zuhören, wenn sie es noch einmal versuchte.
Da sie ihm am ehesten im Sportstudio begegnen würde, machte sie sich am nächsten Morgen sofort auf den Weg dorthin. Normalerweise trainierte sie am Wochenende nicht, aber sie brauchte Informationen, und so steuerte sie schnurstracks auf die Anmeldung zu.
Um Zutritt zu den Trainingsräumen zu erlangen, musste man eine Marke mit Strichcode über eine beleuchtete Glasplatte ziehen. Das Lesegerät erfasste den Code und ermittelte, ob der Studiobeitrag bezahlt und die Mitgliedschaft noch aktuell war. Autumn kannte Mike Logan, einen der Jungs an der Anmeldung. Er saß nur wenige Meter entfernt und gab Daten in den Computer ein.
“Hi, Mike.”
Mike sah zu ihr herüber und lächelte, als er sie erkannte. “Hey, Sonnenschein.” Er joggte zur Theke. Er trug ein weißes T-Shirt, weiße Shorts und hatte das dunkle Haar
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