Engelslieder
Fahrstühlen in der Lobby, als Autumn aus der Tiefgarage hochkam. Er stellte sich ihr in den Weg.
“Ich muss mit dir reden.”
“Geh zur Seite, Ben.”
Er schnaubte. “Ich schätze, du hast die Zeitung schon gelesen.”
Autumn schob ihn beiseite und ging weiter, wobei sie so tat, als hörte sie sein Fluchen nicht.
Ben machte zwei lange Schritte, schloss zu ihr auf, packte sie am Arm und drehte sie zu sich herum. Auf der anderen Seite der Lobby stand die wartende Schülergruppe, die die beiden allmählich bemerkte.
“Wir können die Sache hier vor den anderen austragen, oder du gibst mir eine Minute unter vier Augen, damit ich dir alles erklären kann.”
“Es interessiert mich nicht, was du zu sagen hast.”
“Ich überlasse dir die Wahl. Wie entscheidest du dich?”
Er war ein großer Mann, und zudem war er fest entschlossen. Aber entschlossen war sie auch.
Sie schaute zu der Gruppe Kletterer hinüber, die sie mit wachsendem Interesse beobachteten. “Ich sagte, du sollst mir aus dem Weg gehen.”
“Ich lege dich über die Schulter, wenn es sein muss.”
Er machte keine Witze. Das erkannte sie an der Art, wie seine Kiefermuskulatur zuckte. Sie würde sich nicht vor ihren Schülern bloßstellen lassen. Autumn biss die Zähne zusammen, wirbelte herum und marschierte ihm voran den Flur entlang. Dann bog sie in einen kleinen Konferenzraum ein, der gerade leer stand.
“Gute Wahl”, meinte Ben, während er die Tür hinter sich schloss. “Ich weiß, dass du wütend bist, und ich nehme es dir auch nicht übel. Aber hör dir bitte an, was ich zu sagen habe. Wenn ich fertig bin, kannst du entscheiden, was du machst. Und danach gehen wir klettern.”
“Du gehst nirgendwo mit mir hin!” Sie ging auf die Tür zu, doch er versperrte ihr den Weg.
“Vor mehreren Wochen habe ich Bev Styles und ihrem Vater – beide sind übrigens langjährige Freunde von mir – versprochen, sie zu einer wichtigen Veranstaltung im Country-Club zu begleiten. Ich hatte es vollkommen vergessen, bis Jenn mich gestern Abend um sechs daran erinnerte. Ich hatte vor, den Abend so kurz wie möglich zu halten. Ich wusste nicht, dass die Presse dort sein würde, und ich habe nicht mal mitbekommen, dass der Fotograf das Bild von mir und Bev machte.”
“Aber den Kuss hast du schon mitbekommen, oder?” Erneut machte sie einen Schritt, und wieder stellte er sich ihr in den Weg.
“Ich habe sie nicht geküsst – sie hat mich geküsst. Wenn ich geahnt hätte, dass das geschehen würde, hätte ich sie daran gehindert. Ein paar Minuten später habe ich sie auf direktem Weg nach Hause gebracht. Ich habe ihr weder einen Gutenachtkuss gegeben noch sie um ein weiteres Date gebeten – und ich hatte es auch nicht eine Sekunde lang vor.”
Autumn versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Sie las Aufrichtigkeit darin, wusste aber nicht, ob sie echt war. Sie strich sich energisch die schweren kastanienroten Locken aus dem Gesicht. “Ich kann damit nicht umgehen, Ben. Ich bin nicht wie deine anderen Frauen. Bitte – kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?”
Er streckte die Hand aus und hob ihr Kinn an. “Ich würde dich ja in Ruhe lassen, wenn ich nur könnte. Aber es geht einfach nicht. Als ich heute Morgen in die Zeitung sah, wurde mir schlecht. Ich wusste, was du denken und wie du dich fühlen würdest. Wenn du Sorge hast, dass ich weiterhin mit anderen Frauen ausgehe – das wird nicht passieren. Ich wäre auch gestern Abend nicht hingegangen, wenn ich es Sam nicht schon vor langer Zeit versprochen hätte.”
Autumn schwieg, aber ihr Herz pochte heftig. Sie spürte, dass es ihm schlecht ging. Vielleicht sagte er die Wahrheit. Obwohl es nichts an den Fakten änderte, milderte es den Schmerz ein wenig.
“Ich muss wissen, was das zwischen uns ist, Autumn”, fuhr er fort. “Sag, dass du uns wenigstens eine Chance gibst.”
Sie schüttelte den Kopf. “Das kann ich nicht riskieren, Ben.” Sie zwang sich zu gehen, obwohl sie es eigentlich nicht wollte, was sie wiederum wütend machte. “Meine Schüler warten. Lass mich jetzt bitte vorbei.”
Einen Moment lang stand er reglos da, dann trat er beiseite. Sie dachte, er würde gehen, würde bemerken, dass diese eine wilde Nacht alles war, was zwischen ihnen laufen würde, und seines Weges gehen.
Stattdessen folgte er ihr. Auf dem Weg zurück in die Lobby sammelte Autumn innerlich Kraft, um den anderen gegenübertreten zu können, und heftete sich ein Lächeln aufs Gesicht.
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