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Engelslust

Engelslust

Titel: Engelslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka Loreen Minden
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eingestehen. Magnus besaß einen guten Geschmack. Rowans dunkelbraunes Haar fiel in Wellen bis über ihre Schultern herab. Ihr Gesicht war ebenmäßig, die Lippen voll.
    Magnus hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie zurückzuholen, weil er sie über alles liebte. Aber während der Suche nach den richtigen Zutaten hatte sich in ihm etwas verändert: Er hatte sich in Amabila verliebt.
    Diese spürte Magnus ’ innere Zerrissenheit, denn er empfand weiterhin sehr viel für Rowan. Das schmerzte Amabila natürlich, doch sie hatte von Beginn an gewusst, worauf sie sich einließ, zudem hatte sie gefühlt, dass Magnus mit der Aktivierung des Kelches nie jemandem schaden oder gar die Herrschaft an sich reißen wollte.
    Ja, er hatte sich erst rächen wollen – an ihr – stellvertretend für alle anderen ihrer Art, denen er die Schuld am Tod seiner Frau gab. Aber das hatte Magnus nicht übers Herz gebracht, weil er im Grunde ein sehr guter Mensch war.
    Nun wusste Magnus nicht, was er tun oder sagen sollte. Es war Rowan, die zuerst sprach: »Du hast es wirklich geschafft, mich zu dir zu holen.«
    »Rowan …« Magnus streckte die Hand nach ihr aus, griff jedoch durch die geisterhafte Erscheinung hindurch. Hastig zog er sie zurück.
    Rowan lächelte. »Ich bin kein Mensch, wie du siehst.«
    »Du bist ein Geist«, erwiderte Magnus matt. »Meine ganzen Mühen waren umsonst!«
    »Ja, das bin ich: ein Geist. Ich weiß, du hattest dir einen Engel erhofft, genau wie deine geliebte Amabila einer ist.«
    Sichtlich beschämt starrte Magnus zu Boden, weil ihm wohl bewusst wurde, dass Rowan ganz genau spürte, was er für Amabila empfand.
    »Ich freue mich für euch und bin froh, dass du ein neues Glück gefunden hast.«
    »Aber was ist mit uns?«, fragte Magnus. »Ich habe dich zurückgeholt, wenn auch nicht so, wie ich mir das erhofft hatte.«
    »Auch der mächtigste Zauber vermag es nicht, jemanden aus dem Reich der Toten zurückzuholen. Du hast das gewusst, es aber trotzdem versucht. Dein Hass und deine Traurigkeit waren so groß, dass du vieles nicht mehr wahrgenommen hast. Ich bin nur zurückgekommen, um dir die Wahrheit über meinen Tod zu erzählen, damit du endlich damit abschließen kannst.«
    Magnus sah sie an. »Die Wahrheit?« Er runzelte die Stirn. »Die Wahrheit ist, dass ich nicht auf dich aufgepasst habe, dass ich nicht auf dich aufpassen konnte , weil die Corporation mich aus dem Urlaub beorderte. Du gingst allein in die Berge und bist abgestürzt.«
    »Und du gabst all die Jahre den Engeln die Schuld daran«, sagte Rowan. »Aber so war es nicht. Ich stand dicht am Rand eines Abhangs und wollte mich vielleicht in die Tiefe stürzen. Womöglich war es nicht ganz mein freier Wille aber es hat mich keiner geschubst.«
    »Was?!« Magnus riss die Augen auf. »Aber … warum?«
    »Weil ich nicht länger mit einer Lüge leben konnte.«
    »Lüge?« Magnus schien nie etwas geahnt zu haben. Rowan war eine gute Schauspielerin gewesen, wie Amabila vermutete.
    »Ich will es dir zeigen, damit du verstehst. Ich werde es euch beiden zeigen.«
    Amabila sah plötzlich durch fremde Augen einen tiefen, felsigen Abgrund und wusste, Magnus erblickte gerade dasselbe Bild. Rowan zeigte ihnen die letzten Sekunden ihres Lebens, und sie beide wussten ebenfalls, was Rowan dabei dachte. Sie befanden sich in Frankreich, in den Pyrenäen, wo Magnus mit seiner Frau Urlaub machte. Er wollte ihr den gigantischen Felsenkessel an der Grenze zu Spanien zeigen, den Cirque de Gavarnie. Fast senkrecht ragten die Felswände über 1500 Meter vom Grund des Kessels auf. Magnus hatte nie vorgehabt, diese Berge zu besteigen. Allein der Anblick des Tales bot den Augen eine Attraktion, und die Wasserfälle – die höchsten Europas – gaben ein gewaltiges Naturschauspiel. Doch Rowan hatte keinen Blick übrig für die Schönheiten der Natur, da sie einen inneren Kampf austrug, der ihre volle Aufmerksamkeit forderte.
    Obwohl sie im vierten Monat schwanger war, kletterte Rowan einen schmalen Pfad hinauf, bis zu einem Felsvorsprung. Magnus würde nicht so schnell wiederkommen, denn die Tätigkeiten der Corporation erforderten seine volle Konzentration. Sie hatte es ihm nie übel genommen, dass er ab und an zu »Einsätzen« gerufen wurde – immerhin wusste Rowan, für wen er arbeitete. Am heutigen Tag war sie sogar froh, für einige Stunden ungestört zu sein. Sie musste nachdenken, über sich, Magnus, das Baby und … ihren Liebhaber.

»Liebhaber?«

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