Engelslust
Geist war Rowan?
Cain war überrascht, doch wütend zugleich, denn um die Frau wiederzubekommen, die Thorne liebte, musste Raja sterben! Das durfte doch nicht wahr sein! Sein Zorn flammte erneut auf und zwar so gewaltig, dass er kaum bemerkte, wie er Raja immer fester an sich presste.
»Alles wird gut«, flüsterte Rowan, wobei ihre Erscheinung durchsichtiger wurde. »Und jetzt helft der Frau, sie ist kaum mehr am Leben!« Dann war sie verschwunden.
Amabila kam auf Cain zugelaufen, den winzigen Kelch in der Hand. »Sie muss das trinken, schnell!«
Unter Cains Fingern klopfte Rajas Puls ein letztes Mal, er war wie gelähmt. Nein! Es war so weit.
»Cain!«
Er ging in die Knie, Raja immer noch in seinen Armen, während Amabila den Kelch an ihre Lippen führte. Vorsichtig ließ sie das dunkelrot leuchtende Gebräu in Rajas halb geöffneten Mund rinnen.
Sie schluckte nicht.
Das holte Cain aus seiner Erstarrung. »Bitte, Raja, trink!«, flehte er und legte ihren Kopf zurück, sodass die Flüssigkeit ihre Speiseröhre hinunterlaufen konnte. Sein Herz raste. Würde der Kelchtrank ihr helfen? Gab es tatsächlich noch Hoffnung? Durfte er überhaupt hoffen? Cain ertastete zwischendurch immer wieder ihren Puls, aber er fühlte ihn nicht.
Sein Herz wurde schwerer als Blei. Es war zu spät, Raja für immer verloren.
Plötzlich ging ein Zucken durch Rajas Körper und sie schluckte. Erst langsam, dann immer gieriger, als würde ein Vampir Blut trinken.
Fasziniert bemerkte Cain, wie sich Rajas gebrochene Knochen wie von Geisterhand richteten. Der Schädel unter seiner Hand reparierte sich, die Splitter glitten an die richtigen Stellen. Der Knochen schloss sich und der Blutstrom versiegte. Er konnte es kaum begreifen, obwohl er als Engel an Wunder glaubte. Alles verheilte in Windeseile und ein Stöhnen drang aus Rajas Kehle. Ihr Körper zuckte heftiger, scharf atmete sie ein.
»Raja!« Vor Erleichterung liefen ihm die Tränen erneut ungehindert aus den Augen.
Ihr Körper in seinem Arm spannte sich an und sie hörte auf zu trinken. »Cain?« Flatternd öffneten sich ihre Lider. »Ich … sehe dich«, flüsterte sie.
»Bei Merlins Bart!«, rief Cain aus und schluchzte. »Du lebst!« Er wollte schreien, aber jetzt aus Freude, und die ganze Welt umarmen.
Sofort legte er sie auf den Boden, wobei er sein Gesicht verzog. Erst jetzt spürte er den Schmerz in seiner Schulter, die dank Thornes Giftpfeil immer noch nicht ganz verheilt war.
Raja musste es bemerkt haben, denn sie sagte leise: »Deine Schulter … Nimm auch einen Schluck.«
Sie lag hier immer noch halb tot und dachte an seine Wehwehchen? »Du wirst schön brav alles austrinken, hörst du«, rügte er sie liebevoll. Seine Stimme war belegt. Mit dem Handrücken wischte er sich die nassen Spuren aus dem Gesicht. Vor lauter Tränen konnte er Raja kaum sehen.
»Es schmeckt scheußlich«, erwiderte sie matt, aber lächelnd.
Cain lachte. »Ein weiterer Grund, warum dir allein die Ehre gebührt.«
»Das Gefäß ist so winzig, es müsste längst leer sein«, sagte Raja, trank jedoch weiter.
»Es ist ja auch ein ganz besonderes Gefäß. Der Strom wird versiegen, wenn du genug hast.«
Als Raja alles ausgetrunken hatte, fragte sie: »Warum kann der Trank mich heilen, wo er doch für etwas ganz anderes gebraut wurde?«
Schlagartig erinnerte sich Cain wieder: »Merlin hat einmal gesagt: Egal, welchen Zaubertrank man mit diesem Artefakt zubereitet – man wird ihn immer dazu benutzen können, zu heilen. Fü r den Fall, dass mal keine Medizin im Haus ist. «
»Merlin war wirklich ein Genie«, flüsterte Raja und zog Cain zu sich herunter.
Amabila übergab Cain den Kelch und legte erleichtert ihre Hand auf seine Schulter. Der Dämonin schien es besser zu gehen, also konnte Amabila sich um Magnus kümmern. Sie drehte sich um, aber er stand nicht mehr da. »Magnus?« Sie stutzte. Wo war er hin? Weit konnte er nicht sein.
Amabila trat aus dem Steinkreis heraus und ließ ihren Blick über die weitläufigen nachtschwarzen Wiesen schweifen, auf denen noch andere Steinkreise zu sehen waren. Etwa hundert Meter entfernt erkannte sie mit ihren scharfen Augen eine dunkle Gestalt, die sich an einem Monolithen festhielt.
Magnus!
Ihr Herz klopfte schneller. Sie wusste, dass ihn die Neuigkeiten über seine verstorbene Frau zutiefst erschüttert hatten …
Zuerst hatte Magnus seine Frau nicht mehr zurückholen wollen, denn er glaubte, ihre Beziehung beschmutzt zu haben, als er mit
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