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Engelslust

Engelslust

Titel: Engelslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka Loreen Minden
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in das Dunkel vortastete, obwohl er gut sehen konnte; aber Vorsicht war zu jeder Zeit geboten. Außerdem fühlte er sich irgendwie beobachtet. Sein Gerät zeigte jedoch kein Lebenszeichen in der Höhle an, das von einem Menschen oder Dämon stammte, nur ein paar unscheinbare winzige Flecken, wahrscheinlich Fledermäuse, und einen etwas größeren Punkt, auf den er sich keinen Reim machen konnte. Daher blieb er wachsam. Er war schon erleichtert, dass es sich nicht um die Höhle aus seiner Vision handelte, denn hier brannten weder Fackeln noch befanden sich haufenweise Kochen vor Ort.
    »Es heißt, hier hätten einst Harpyien gelebt«, erklärte Crispin.
    Unter Cains Sohlen knackte es. »Hätten?« Er ging in die Hocke, um eine Schale aufzuheben, die zu einem sehr großen Ei gehört haben musste, etwa wie Strauße sie legten. Dotterreste klebten daran, darunter hatte sich eine Pfütze aus Eiweiß ausgebreitet.
    »Das Ei war frisch«, zischte Cain.
    »Dann solltest du lieber verschwinden, bevor Mama Harpyie zurückkommt!«
    Harpyien waren schwarzhaarige Dämoninnen mit Vogelschwingen, sehr angriffslustig und praktisch unverwundbar.
    Und von Dämoninnen hatte Cain gerade genug.
    Außerdem könnte das etwas größere Signal, das sein Detektor gerade anzeigte, von einer Wildziege herrühren, die sich die Harpyie möglicherweise als Milchspender für ihren Nachwuchs hielt.
    Cain beeilte sich, aus der Höhle zu kommen, aber kurz vor dem Ausgang blieb er stehen, weil er Abdrücke im staubigen Boden bemerkte, die nicht von seinen Stiefeln stammten.
    »Was hast du gefunden?«, wollte Crispin wissen.
    »Spuren. Zwei Personen. Ein Herrenschuh, etwa Größe elf; der andere war barfuß, eventuell ein Kind. Der Abdruck ist zu klein für einen Mann und außerdem nicht tief.« Cain machte ein Foto mit seinem Handy und schickte es Crispin, ohne zu erwähnen, dass es ein Stück weiter noch mehr Spuren gab, die definitiv zu seiner Teufelsbraut gehörten.
    »Der Kelchdieb hat also Hilfe«, sagte Cris.
    »Von einem Kind?« Das glaubte Cain kaum.
    »Ich kann mir auch keinen Reim drauf machen, vielleicht ist es auch ein junger Satyr oder ein anderes Wesen.«
    Ein Seufzer entfuhr Cain, weil er scharf überlegte. Eine Zutat pro Tag … Der Dieb hatte ganz geschickt die Zeitverschiebung genutzt. Kurz vor Mitternacht hatte er sich das Drachenblut aus Mr Fangs Laden in New York geholt, den Kelch in Kanada aktiviert und war schon kurze Zeit später um die halbe Welt gereist, wo bereits der neue Tag begonnen hatte, um die zweite Zutat in das Artefakt zu geben.
    Er war ihnen immer eine Nasenlänge voraus. Wer war er? Woher wusste er, welche Zutaten in den Kelch mussten und wie konnte er so schnell extrem große Entfernungen zurücklegen? Und warum hatte niemand bemerkt, dass der Kelch aus seinem Versteck entwendet worden war? Als der Rat nachgesehen hatte, fanden sie eine Nachbildung vor.
    Der Hohe Rat war quasi die oberste Instanz der Engel. Er traf alle grundlegenden Entscheidungen und nur die reinsten Engel durften ihm nach schwierigen Prüfungen beitreten.
    »Kommst du noch in der Zentrale vorbei?«, fragte Crispin.
    »Ja, gleich. Ich möchte mich hier noch ein wenig umsehen.« Eigentlich wollte er seine Ruhe haben und noch einmal über die vorangegangenen Geschehnisse nachdenken. Er beendete das Gespräch und kletterte wieder zum Strand hinunter. Sein Smartphone, das zugleich ein Detektor war, zeigte keine Dämonen im näheren Umkreis an, aber er zog es vor, einen gewissen Abstand zur Höhle zu wahren, falls die Harpyie zurückkam. Wenn sie eins ihrer Eier zerstört vorfand, würde sie bestimmt durchdrehen.
    Cain sprang über die Felsen am Ufer entlang, wobei die Gischt seine Hosenbeine mit Meerschaum bestäubte, bis er auf eine weitere Bucht stieß. Sie sah wirklich traumhaft aus und vor allem war sie verlassen. Er setzte sich auf einen flachen Felsen und zog die Stiefel aus. Dann steckte er die Zehen in den grobkörnigen Sand, den die Morgensonne bereits angewärmt hatte.
    Dieses Nichts-tun-können, während der Dieb vielleicht schon wieder dabei war, eine weitere Zutat zu beschaffen, war zermürbend genug, aber dann noch diese Dämonin am Hals zu haben … Abermals schaute Cain auf seinen Detektor, doch es war weiterhin alles ruhig.
    Cain musste in der Zentrale Bescheid geben, dass die Unterwelt ebenfalls hinter dem Kelch her war. Doch wie stellte er dies an, ohne zu verraten, was tatsächlich geschehen war?
    Er war ein schlechter Lügner

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