Engelslust
mitgeteilt, damit sie den Kelch noch sicherer verwahren konnten. All die letzten Jahrhunderte war alles gut gegangen …
»Wenn wir Merlin irgendwie erreichen würden, könnte er uns sicher sagen, was der Dieb vorhat«, sagte Cris.
Der berühmte Magier war nie gestorben, sondern es hieß, er lebte in der Anderswelt. Das war ein paradiesisches Totenreich, das durch eine Grabkammer betreten werden konnte. An diesem Ort existierten die Körper der Menschen ohne Sorge, Hunger, Tod und Krieg. Schon möglich, dass es Merlin gelungen war, den versteckten Eingang zu finden.
»Wenn … falls …«, murmelte Cain. »Wir können nur eines tun: den Dieb fassen, bevor er alle sieben Zutaten in den Kelch getan hat.«
»Vielleicht solltest du dich doch mit dieser Dämonin zusammentun«, sagte Crispin plötzlich.
Cain zog die Luft ein. »Das ist doch nicht dein Ernst?!«
Aber Cris machte auf ihn kein bisschen den Eindruck, als würde er spaßen.
Raja verwirrte Cain. In ihrer Nähe kam er sich wie ein verliebter Trottel vor. Wie sollte er da nur einen klaren Kopf bewahren, den er für diese Mission dringend brauchte? »Herrgott noch mal, sie ist eine Dämonin!«, rief er.
Ja – was faszinierte ihn dann an der Frau so?
»Halbdämonin!« Die grünen Augen seines Kollegen blitzten vergnügt. »Und so gern, wie du fluchst, passt ihr doch gut zusammen.«
»Willst du mich auch noch mit ihr verkuppeln?«
Jetzt lachte Crispin. »Wenn wir dafür an den Kelch kommen … ja!« Natürlich machte er nur Spaß, wusste Cain.
***
Magnus Thorne saß in seinem bequemen Sessel am Kamin und starrte nachdenklich in die Flammen. Sein braunes Haar fiel ihm wirr ins Gesicht; er fühlte sich müde. In seinen ganzen fünfunddreißig Lebensjahren und den zwei Jahrzehnten als professioneller Magier war er noch nie derart gefordert gewesen wie in den letzten Tagen.
An das Drachenblut zu kommen, war einfach gewesen, die Harpyie aus ihrer Höhle zu locken, schon schwieriger, u nd die Sache mit dem Eidotter sogar riskant, da er es noch in der Höhle in den Kelch hatte geben müssen, denn sonst hätte das Artefakt es nicht angenommen. So zumindest stand es in dem Buch, das Magnus an einem sicheren Platz, weit weg vom Kelch, verwahrte.
Aber im Großen und Ganzen war Magnus recht zufrieden. Er hatte bereits zwei Zutaten, fünf fehlten ihm noch, sodass sich sein größter Wunsch erfüllen würde. Er hasste, was er tat, doch an allem waren nur die Engel schuld! Wegen ihnen war sein Leben aus der Spur geraten und er zu dem geworden, was er jetzt war: ein verbitterter, von Rachegelüsten heimgesuchter Magier.
Wieso brachte es ihm dann keine Befriedigung, wenn er seinen kleinen Engel erniedrigte?
Amabila kniete zu seinen Füßen wie ein Schoßhündchen, weil er sie mit einem Zauber belegt hatte, der sie hörig machte. Amabila tat alles, was Magnus von ihr verlangte. Sie war ihm eine große Hilfe bei seinem Vorhaben. Der weibliche Engel mit dem rotbraunen Haar und dem spitzbübischen Pagen schnitt stand stellvertretend für alle anderen ihrer Art, die er so sehr verachtete. Durch Amabila ließ er die anderen leiden.
Sein unschuldiges, zierliches Engelchen …
Magnus brauchte sie, um schnell an verschiedene Orte reisen zu können, wo sich die magischen Zutaten befanden, die in den Kelch mussten.
Und zuletzt das Blut eines Engels …
Viele Monate lang hatte er sein Zauberbuch durchforstet, bis er alle Hinweise zusammengetragen hatte. Die Zutaten mussten sorgsam ausgewählt werden, nur dann würde der Kelch seine volle Macht entfalten, doch für sein gigantisches Vorhaben brauchte Magnus noch fünf davon.
Fünf … Er konnte es kaum erwarten. Die innere Unruhe fraß ihn beinahe auf.
Sie versteckten sich in seiner Jagdhütte in den Rocky Mountains. Hier sammelte Magnus Kraft und plante seinen nächsten Zug. Das Kaminfeuer verbreitete eine angenehme Wärme, daher streifte sich Magnus sein schwarzes Kapuzencape ab und warf es über die Lehne seines Sessels. Darunter trug er Jeans und ein langärmliges Hemd in derselben Farbe.
»Zieh mir die Schuhe aus!«, befahl er Amabila und streckte seine Beine aus.
Sein Engel gehorchte natürlich sofort, zog ihm die Halbschuhe von den Füßen und stellte sie ordentlich neben die Tür der Holzhütte, bevor sie wieder zu ihm zurückgeeilt kam. Dabei umwehte sie ihr langer weißer Mantel, unter dem ihre nackten Zehen hervorlugten. Demütig kniete sie sich abermals zu seinen Füßen nieder, ohne Magnus auch nur einmal
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