Engelslust
Wie konnte das sein? Er hatte sie doch angeleint! Sofort war er hellwach und setzte sich auf. Es war fast ganz dunkel im Raum, doch vor seinen Augen tanzten winzige Lichtblitze und ein enormer Druck in seinem Darm trieb ihn ins Badezimmer.
Ja, der Dämon hatte sein Werk vollbracht, wusste Magnus jetzt. »Wie viel Zeit hab ich noch?«, knurrte er. Dabei vergaß er Amabila zu fragen, wie sie sich hatte losmachen können, wo er doch einen starken Zauber auf das Halsband gelegt hatte.
»Noch eine Stunde, mein Herr.«
Magnus atmete auf. Das war mehr als genug. Er kniff die Pobacken zusammen und kroch aus dem Bett. Sein Schließmuskel brannte höllisch und fühlte sich ziemlich ramponiert an. Aber er hatte es geschafft. Das war die vorletzte Zutat und die letzte besaß er bereits.
Amabilas Stimme klang ein wenig reuevoll, als sie sagte: »Ich hätte Euch diese Pein gerne abgenommen, mein Herr, aber Desmond hätte sowieso nicht mit mir geschlafen.«
»Ach, nein? Am Telefon hat es sich aber so angehört, als würdet ihr euch sehr gut verstehen.« Im Dunkeln holte er das Kästchen mit dem Kelch aus der Nachttischschublade sowie die Pipette und seinen Detektor.
»Wir hatten vor 300 Jahren mal ein kurzes Verhältnis, bis er herausfand … Er begehrt nur Männer«, gestand sie leise.
Magnus spürte, wie ihm sämtliches Blut aus dem Gesicht wich. Hastig blickte er aus dem Fenster. Wolken verdeckten den Mond; ein Sturm zog auf, wie es hier typisch für diese Jahreszeit war. Palmwedel strichen gegen die Fenster, erste Tropfen klatschten dagegen.
»Von allen Incubi kennst du ausgerechnet einen schwulen?« Ihm wurde schlecht. »Ein schwuler Dämon, ich fasse es nicht«, murmelte er und tastete sich in Richtung Badezimmer vor. Der Druck in seinem Darm war enorm. »Dann kommt er also gar nicht nur zu Schlafenden …« Sonst hätte sie mit ihm ja kein Verhältnis haben können.
»Das war ein wenig geflunkert, mein Herr«, gab sie zu.
»Wenn ich das … Zeug aus mir raushabe, bist du fällig!«
Als Magnus auf die Toilette stapfte, wusste er genau, dass sich sein verdorbenes Engelchen über diese Drohung eher freute. »Pein …«, schimpfte er. »Für sie wäre das doch der Himmel auf Erden gewesen!« Aber den konnte er ihr auch bieten …
***
Es hatte eine Weile gedauert, bis Leraja und Cain in das Schloss gelangt waren, das, von außen nicht sichtbar, durch zahlreiche Zauber und Flüche geschützt wurde, denn anscheinend hatte Thorne die Magie erneuert. Zuletzt war Cain leichter hineingekommen, als er mit Crispin hier gewesen war. Nur einen winzigen Kamin an der Nordseite schien Thorne diesmal vergessen zu haben. Also hatte sich Leraja an Cain geschmiegt. Gemeinsam hatten sie sich in Rauch aufgelöst und waren durch den Schlot ins Innere gelangt. Für Leraja war es seltsam, sich auf diese Art fortzubewegen, wenn sie das Gefühl hatte, ihr Körper würde auseinandergerissen, bevor sie in eine Art Ohnmacht fiel und sie nur noch aus Gedanken bestand. Aber sie könnte sich daran gewöhnen. Nur ungern löste sie sich von Cain und inhalierte noch einmal seinen unwiderstehlichen männlichen Geruch, nachdem sie sich in einer Kammer wieder materialisiert hatten. Sie mussten wachsam sein. Thorne hatte bestimmt überall Fallen aufgestellt. Aber während ihres Ganges durch das Schloss sah es so aus, als hätte der Magier sein Zuhause gar nicht betreten. Die Möbel waren immer noch mit weißen Tüchern abgedeckt. In den Ecken hingen dicke Spinnweben. Alles war noch so, wie Cain ihr berichtet hatte. Allein in einem Häuschen zwei Kilometer von Thorne Castle entfernt, waren Leraja und Cain auf ein Lebenszeichen gestoßen. Anscheinend wohnte dort ein älterer Herr, der ab und zu nach dem Rechten sah – vielleicht ein ehemaliger Diener oder Freund der Familie.
Nun standen sie beide in einem Kellergewölbe. Offensichtlich war das Schloss ehemals eine Burg gewesen. Leraja sowie Cain konnten eine gewaltige Präsenz uralter Magie spüren, die all ihre Poren zu durchdringen schien.
»Ich hatte das letztens schon wahrgenommen, aber jetzt weiß ich hundertprozentig, dass es die Macht des Buches sein muss. Fermion hatte recht; es ist in Thornes Besitz«, erklärte Cain hastig und befühlte die Wand. »Es muss irgendwo hinter diesen Mauern liegen, aber ich hab keine Ahnung, wie wir dorthin gelangen sollen. Es gibt keinen Zugang, zumindest keinen sichtbaren. Kannst du etwas mit deinem Elfenzauber ausrichten?«
»Wieso brauchen wir das Buch
Weitere Kostenlose Bücher