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Engelsmorgen

Engelsmorgen

Titel: Engelsmorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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immer noch am Leben, trotz der Jahrtausende, in denen sie in diesem Alter bereits hatte sterben müssen. Weil sie mittlerweile genug wusste, um sich vor der Zukunft zu fürchten. Weil es inzwischen halb vier Uhr morgens war und sie schon tagelang nicht mehr richtig geschlafen hatte und ihr nichts anderes einfiel, als zu weinen.
    Er hielt sie jetzt in seinen Armen, umgab ihren Körper mit seiner Wärme, zog sie ganz nah zu sich und wiegte sie wie ein kleines Kind. Sie schluchzte und bekam dann Schluckauf und wünschte sich ein Taschentuch herbei, um sich zu schnäuzen. Sie fragte sich, ob es überhaupt möglich war, wegen so vieler Dinge auf einmal traurig zu sein.
    »Schschsch«, machte Daniel. »Schsch.«
    Noch vor einem Tag hatte es sie fast krank gemacht, durch den Verkünder mitansehen zu müssen, wie Daniel sie bis zur Zerstörung liebte. Nichts schien die zerstörerische Gewalt aufhalten zu können, die unausweichlich mit ihrer Beziehung verknüpft war. Aber jetzt, nach dem Gespräch mit Arriane, spürte Luce, wie sich etwas Großes ankündigte. Etwas veränderte sich – vielleicht veränderte sich auch die ganze Welt –, während sie hier nebeneinander auf dem Sims saßen. Es war überall um sie herum spürbar, in der Luft, in den Wellen, im Licht, das von der Nephilim-Lodge herüberschien, und es veränderte auch die Art und Weise, wie sie sich selbst und Daniel sah.
    Die Ohnmacht in seinen Augen, die sie dort in den ihrem Tod unmittelbar vorangehenden Momenten gesehen hatte, schien auf einmal gewichen zu sein. Diese Hilflosigkeit schien der Vergangenheit anzugehören. War Vergangenheit. Sie musste an den Blick denken, mit dem er sie nach ihrem ersten Kuss am Strand hinter den Sümpfen in der Nähe von Sword & Cross angeschaut hatte. Der Geschmack seiner Lippen auf ihren, sein Atem, der ihre Wange streifte, seine starken Arme, die sich um sie geschlungen hatten: Das alles war so wunderschön gewesen – bis auf die Furcht in seinen Augen.
    Aber Daniel hatte sie nun schon seit einer Weile nicht mehr so angesehen.
    Die Art und Weise, wie er sie nun anblickte, hatte nichts mehr von dieser Ohnmacht und Kapitulation an sich. Er schaute sie an, als würde sie nun bei ihm bleiben, als müsste sie das einfach. Diesmal, in diesem Leben hier, liefen die Dinge anders. Alle sagten das, und auch Luce spürte es nun: In ihr wuchs das Gefühl einer Offenbarung, es wurde immer stärker. Sie hatte mitansehen müssen, wie sie starb, und sie hatte es überlebt. Daniel musste seinen Fluch und die Strafe nicht mehr allein tragen. Sie waren von nun an zu zweit.
    »Ich möchte etwas sagen«, flüsterte sie schluchzend in sein T-Shirt und wischte sich dann mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. »Lass mich etwas sagen, bevor du zu reden anfängst.«
    Sie spürte, wie sein Kinn ihren Scheitel streifte. Er nickte.
    »Ich weiß, dass du aufpassen musst, was du mir erzählst. Ich weiß, dass ich früher jedes Mal gestorben bin. Aber diesmal gehe ich nicht von dir fort, Daniel, das spüre ich. Ich verlasse dich nicht einfach so. Jedenfalls nicht, ohne gekämpft zu haben.« Sie versuchte zu lächeln. »Ich glaube, es wird für uns beide besser sein, wenn du mich nicht weiter wie zerbrechliches Porzellan behandelst. Und deshalb bitte ich dich inständig – als deine Freundin und Gefährtin, als die Liebe deines Lebens –, mich stärker einzuweihen. Wenn du das nämlich nicht tust, fühle ich mich nur ausgegrenzt und verängstigt und einsam und …«
    Er fuhr mit dem Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht zu sich hoch. Neugierig musterte er sie. Luce wartete darauf, dass er sie unterbrechen würde, aber das tat er nicht.
    »Ich habe das Schulgelände von Shoreline nicht verlassen, um dich zu ärgern«, fuhr sie fort. »Ich hab einfach nicht verstanden, was dieses Verbot sollte. Und ohne es zu wissen, habe ich damit meine Freunde in Gefahr gebracht.«
    Daniel beugte sich über ihr Gesicht. Das Violett in seinen Augen leuchtete. »Ich hab dich vorher schon viel zu viele Male aus Unbedachtsamkeit verloren«, flüsterte er. »Und diesmal war ich vielleicht zu vorsichtig, was auch nicht richtig war. Ich hätte wissen sollen, dass du alle Grenzen zu überschreiten versuchst, die dir gezogen werden. Du wärst nicht das Mädchen, das ich liebe, wenn du es nicht tätest.« Luce wartete auf ein Lächeln von ihm, aber es kam nicht. »Es ist diesmal einfach viel zu viel los, du ahnst ja gar nicht, was alles auf dem Spiel steht. Ich war so

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