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Engelsmorgen

Engelsmorgen

Titel: Engelsmorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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müssten viele, so unzählig viele Wahrheiten ans Licht gebracht werden; aber sachte, damit sie all diese Schrecken überlebte. Bei dem Gedanken, was sie alles würde erfahren und lernen müssen, verkrampfte sich Daniel.
    Wenn Cam wirklich glaubte, dass Daniel nicht an den nächsten Schritt dachte, irrte er sich gewaltig.
    »Du weißt, dass es nur einen Grund gibt, warum ich immer noch hier bin«, sagte Daniel. »Wir müssen unbedingt über sie reden.«
    Cam lachte. »Das hab ich mir gedacht.« Ächzend hievte er sich die triefende Leiche über die Schulter. Der tote Mann in seinem Marineanzug war wie ein Bündel verschnürt. Auf die Brust hatte Cam einen schweren Anker gebunden.
    »Der war schon ein wenig verknöchert, findest du nicht auch?«, fragte Cam. »Ich finde es fast etwas beleidigend, dass die Ältesten uns keinen Auftragskiller geschickt haben, der eine etwas größere Herausforderung dargestellt hätte.«
    Danach ging er wie ein Kugelstoßer ein wenig in die Knie, drehte sich drei Mal um die eigene Achse, um etwas Schwung zu holen, und schleuderte den toten Mann dann in hohem Bogen weit aufs Meer hinaus.
    Mehrere Sekunden lang schwebte der Leichnam über den Wellen, bevor der Anker ihn nach unten zog … tiefer … immer tiefer. Mit einem mächtigen Aufspritzen versank er im dunkelgrauen Wasser. Im nächsten Moment war nichts mehr zu sehen, alles war wie vorher.
    Cam wischte sich die Hände ab. »Ich glaub, das war gerade ein neuer Rekord.«
    Sie glichen sich in so vieler Hinsicht. Aber Cam war von bösartiger Natur, er war ein Dämon, und das befähigte ihn zu schändlichen Taten, ohne danach Gewissensbisse zu verspüren. Daniel dagegen wurde davon geplagt. Und noch etwas quälte ihn, nämlich die Liebe.
    »Du nimmst den Tod von Menschen zu sehr auf die leichte Schulter«, sagte Daniel.
    »Der Kerl hat es verdient«, sagte Cam. »Du solltest das alles etwas sportlicher sehen, Mann!«
    Das war der Moment, in dem Daniel die Beherrschung verlor. »Das ist für mich kein Spiel«, fuhr er Cam an.
    »Und genau deshalb wirst du sie verlieren.«
    Daniel packte Cam am Kragen seines stahlgrauen Trenchcoats. Am liebsten hätte er ihn ins Wasser geschleudert, wie Cam es soeben mit dem Toten getan hatte.
    Kalter Wind fuhr zwischen sie, die Wellen schlugen weiter ans Ufer.
    »Mach mal locker«, sagte Cam und schob Daniels Hände weg. »Du hast viele Feinde, Daniel. Aber ich zähle im Augenblick nicht dazu. Denk an den Waffenstillstand.«
    »Ein Waffenstillstand zwischen uns«, sagte Daniel. »Achtzehn Tage, in denen die anderen versuchen werden, sie zu töten.«
    »Achtzehn Tage, in denen du und ich alle ihre Feinde nacheinander kaltmachen.«
    Ein Waffenstillstand dauerte immer achtzehn Tage, das war so Brauch unter den Engeln. Achtzehn war im Himmel die göttliche Glückszahl: die lebensspendende Vereinigung der zwei Sieben (der sieben Erzengel und der sieben Kardinaltugenden), ergänzt durch die Warnung der apokalyptischen Reiter. In manchen Sprachen der Sterblichen war die Achtzehn gleichbedeutend mit Leben – obwohl sie, wie jetzt in ihrem Fall, genauso gut auch Tod bedeuten konnte. Luces Tod.
    Cam hatte recht. Die Nachricht von ihrer Sterblichkeit machte in den Himmelssphären allmählich die Runde und damit würde sich auch die Zahl ihrer Feinde von Tag zu Tag vermehren. Sich verdoppeln und vervielfachen. Miss Sophia und ihre Kohorten, die Vierundzwanzig Ältesten von Zhsmaelin, waren immer noch hinter Luce her. Daniel hatte inmitten der Schatten, die von den Verkündern an diesem Morgen geworfen worden waren, einen Blick auf die Ältesten erhaschen können. Er hatte einen Moment lang aber auch noch etwas anderes geschaut – eine andere, noch viel dunklere Finsternis, Machenschaften von einer Düsternis, dass er sie erst gar nicht zu deuten gewusst hatte.
    Ein einzelner Sonnenstrahl durchbrach die grauen Wolken und in Daniels Augenwinkel schimmerte etwas auf. Er wandte sich dorthin, kniete nieder und sah einen Pfeil im nassen Sand stecken, dünner als ein normaler Pfeil, von mattem Silber, mit geschwungenen eingravierten Ornamenten. Als er ihn berührte, fühlte er sich warm an.
    Daniel stockte der Atem. Es war Äonen her, seit er einen Sternenpfeil gesehen hatte. Seine Finger zitterten, als er ihn vorsichtig aus dem Sand zog. Er passte höllisch auf, dass er nicht die tödliche Spitze berührte.
    Nun wusste er, woher diese andere Finsternis am Morgen gekommen war. Diese Botschaft war noch schrecklicher, als

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