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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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zurück und entspannen Sie sich, Schätzchen. Sie werden schon sehen.«
    Mr Briel? Was war das denn für ein Typ? Luce hasste es, wenn Leute sie aufforderten, ganz locker zu sein, vor allem, wenn es sich wie eine Warnung anhörte, ja keine Fragen mehr zu stellen. Sie schwieg, verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte den besonderen Tonfall zu vergessen, mit dem der Fahrer sie »Schätzchen« genannt hatte.
    Durch die getönten Scheiben wirkten die Bäume und die grau gepflasterte Straße draußen ganz braun. An der nächsten Kreuzung, wo ein Wegweiser westlich in Richtung Thunderbolt zeigte, bog der Fahrer nach Osten ab. Sie folgten dem Flussverlauf zur Küste. Die Straße führte manchmal so dicht am Ufer entlang, dass Luce neben sich das brackige
dunkle Wasser dahinstrudeln sehen konnte. Nach ungefähr zwanzig Minuten hielt der Wagen vor einer heruntergekommenen Bar an. Die Bretter waren von Wind und Wetter grau, die Bude wirkte halb verfallen. Über der Tür war ein vom Regen aufgeweichtes Pappschild angebracht, auf dem in verlaufenen, handgemalten roten Buchstaben STYX zu lesen war. Unter dem Dach hing eine Girlande aus Plastikwimpeln mit Bierwerbung, der missglückte Versuch, ein bisschen Partystimmung zu erzeugen. Luce betrachtete die bunten Bilder auf den Fähnchen - Palmen und braun gebrannte Mädchen in Bikinis, die Bierflaschen an ihre roten Lippen hielten - und fragte sich, wann wohl das letzte Mal ein Mädchen aus Fleisch und Blut den Fuß über diese Schwelle gesetzt hatte.
    Zwei gealterte Punkrock-Typen saßen rauchend auf einer Bank mit Blick auf den Fluss. Ihre Iros hingen ihnen müde in die Stirn und ihre Lederjacken sahen so abgewetzt und schmutzig aus, dass sie sie bestimmt schon seit den Anfängen des Punks trugen. Träge und ausdruckslos stierten sie vor sich hin, was die ganze Szene noch trostloser machte.
    Luce war noch nie so weit in das Sumpfgelände der Flussmündung vorgedrungen. Der Regen der vergangenen Tage hatte Morast auf den Asphalt geschwemmt, und die Straße schien sich zwischen den Sumpfgräsern im Niemandsland zu verlieren.
    Während sie noch unschlüssig im Auto saß, weil sie nicht recht wusste, was sie tun sollte, nachdem sie ausgestiegen war, oder ob es überhaupt eine gute Idee war auszusteigen, wurde auf einmal die Tür der Styx-Bar aufgestoßen und Cam kam herausgeschlendert. Er lehnte sich lässig gegen die Balustrade, ein Bein über das andere gekreuzt. Sie wusste, dass er sie durch die getönte Scheibe des Wagens nicht sehen
konnte, aber er hob die Hand, als könnte er es, und winkte sie fast gebieterisch zu sich.
    »Das geht ja wohl gar nicht«, murmelte Luce. Dann bedankte sie sich bei dem Fahrer und öffnete die Tür. Eine salzige Brise wehte ihr ins Gesicht, als sie die drei Stufen zur schmalen Veranda der Bar hochging.
    Cams Fransenfrisur hing ihm locker ins Gesicht, vom Wind etwas zerzaust. Seine grünen Augen schauten sie unverwandt an. Ein Ärmel seines schwarzen T-Shirts war bis über die Schulter hochgeschoben und Luce konnte seine Armmuskeln sehen. Sie fingerte in ihrer Hosentasche nach der Goldkette mit der Schlange. Vergiss nicht, warum du hier bist.
    Cams Gesicht zeigte keinerlei Kampfspuren, dabei war das doch erst gestern Abend gewesen. Ob es bei Daniel genauso war?
    Als Luce vor ihm stand, warf Cam ihr einen forschenden Blick zu, fuhr sich dabei mit der Zunge über die Lippen. »Ich hab mir gerade ausgerechnet, wie viele Trostdrinks ich brauchen würde, wenn du mich heute versetzt«, sagte er, öffnete die Arme und Luce schmiegte sich hinein. Es war sehr schwer, Nein zu sagen, wenn Cam sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, selbst wenn sie nicht so recht wusste, was er eigentlich wollte.
    »Ich würde dich nie versetzen«, erwiderte sie und hatte sofort ein schlechtes Gewissen, weil sie das nur aus einem anerzogenen Pflichtgefühl heraus gesagt hatte. Cam glaubte jetzt bestimmt, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Dabei war sie nur gekommen, um ihm klarzumachen, dass aus ihnen beiden nichts werden würde. »Was ist das für eine Bar? Und seit wann hast du einen Wagen mit Chauffeur?«
    »Tja, da kannst du mal sehen«, antwortete er, als hätte sie ihm ein Kompliment gemacht. Als fände sie es besonders
toll, in Bars ausgeführt zu werden, die nach Morast und Sickergrube rochen.
    Sie war schon immer schlecht in solchen Dingen gewesen. Callie sagte ihr ständig, dass sie häufiger üben müsse, brutal ehrlich zu sein, weil sie sonst andauernd mit

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