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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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Jungs in beschissene Situationen geriet, nur weil sie nicht rechtzeitig Nein gesagt hatte. Luce fing an zu zittern. Sie musste das jetzt unbedingt loswerden. Sie langte in ihre Hosentasche und zog die Kette heraus. »Cam.«
    »Oh, wie schön. Du hast die Kette dabei.« Er nahm sie ihr aus der Hand und drehte Luce herum. »Warte, ich helf dir, sie anzulegen.«
    »Nein, warte -«
    »Schon geschehen«, sagte er. »Steht dir wirklich gut. Hier, schau’s dir an.« Er schob sie über die knarrenden Verandabretter zum Fenster der Bar, wo mehrere Bands auf Plakaten ihre Auftritte ankündigten: DIE ALTEN BABIES, HASSNUMMER, DIE KRACHWERKER. Luce hätte lieber alles ausführlich studiert, als sich selbst zu betrachten. »Hab ich nicht recht?«
    Sie konnte ihre Gesichtszüge in der schlammbespritzten Scheibe nicht wirklich gut erkennen, aber sie sah den goldenen Anhänger auf ihrer Haut glänzen. Sie fasste ihn kurz an. Er war schön. Und auch so anders als alle anderen Schmuckstücke, die sie kannte, mit der winzigen Schlange, die sich in der Mitte nach oben reckte. Luce hatte so einen Anhänger noch nie gesehen. In den Buden am Straßenrand, wo die Händler überteuertes Kunsthandwerk an Touristen verkauften, echte Souvenirs aus Georgia, hergestellt auf den Philippinen, war so etwas jedenfalls nicht zu finden. Hinter ihrem Spiegelbild in der Scheibe leuchtete der Himmel orangerot, von dünnen rosa Wolkenstreifen durchzogen.

    »Wegen gestern Abend …«, begann Cam. Sie beobachtete im Fenster, wie sich seine weichen, vollen Lippen neben ihrem Kopf bewegten.
    »Ich wollte mit dir auch über gestern Abend reden«, sagte Luce und drehte sich zu ihm. Über dem Ausschnitt seines T-Shirts konnte sie die Spitzen der aufgehenden Sonne sehen, die dort auf seinen Hals tätowiert war.
    »Komm rein«, sagte er und hielt ihr die Tür auf. »Drinnen können wir besser reden.«
    Das Innere der Bar wirkte mit dem vielen Holz rustikal wie eine Jagdhütte, Hängelampen mit orangefarbenen Schirmen spendeten ein trübes Licht. An den Wänden hingen Geweihe in allen möglichen Größen und Formen und über der Theke setzte ein ausgestopfter Gepard gerade zum Sprung an. Ein verblasstes Gruppenfoto war der einzige weitere Wandschmuck, PULASKI COUNTY MOOSE CLUB OFFICERS 1964-65 stand darunter. Aus der Jukebox erklang Ziggy Stardust , und ein älterer Mann mit kahl rasiertem Kopf und schwarzer Lederhose tanzte dazu allein auf einer kleinen Bühne. Außer Luce und Cam war er der einzige Gast.
    Cam deutete auf zwei Hocker. Aus den grünen Sitzbezügen quoll die Schaumstofffüllung heraus. Vor Cams Hocker stand ein bereits halb leeres Glas mit einer hellbaunen Flüssigkeit, Eiswürfel schwammen darin.
    »Was ist das?«, fragte Luce.
    »Georgia Moonshine«, sagte Cam und nahm einen Schluck. »Für den Anfang würde ich aber was anderes empfehlen.« Als sie ihn daraufhin fragend anschaute, fügte er hinzu: »Ich sitze hier schon den ganzen Tag.«
    »Ist ja reizend«, sagte Luce, während ihre Finger an der goldenen Halskette herumspielten. »Wie alt bist du? Siebzig? Den ganzen Tag allein in einer Bar herumhängen?«

    Man merkte ihm zwar nicht an, dass er betrunken war, aber Luce gefiel die Vorstellung nicht, dass sie den ganzen Weg hierhergekommen war, nur weil sie die Sache zwischen ihnen beenden wollte, und er womöglich zu hinüber war, um irgendetwas zu kapieren. Sie fragte sich außerdem, wie sie in die Schule zurückkommen sollte. Sie wusste noch nicht einmal, wo sie sich genau befand.
    »Autsch.« Cam rieb sich die Herzgegend. »Man hat mich des Unterrichts verwiesen, wie du weißt, und das Schöne daran ist: Es vermisst dich keiner. Da hab ich mir gesagt, ein bisschen Erholung könnte mir nicht schaden.« Er legte den Kopf schief. »Was stört dich? Der Ort hier? Oder der kleine Streit zwischen mir und Daniel gestern Abend? Oder der miese Service hier ?« Er brüllte die letzten Wörter heraus, so laut, dass ein riesiger, stämmiger Barmann durch die Schwingtür aus der Küche hinter dem Tresen kam. Der Mann hatte lange, fransige Haare und Tätowierungen, die sich wie dicke geflochtene Zöpfe um seine Arme wanden. Oder wie Schlangen. Er wirkte wie ein einziges Muskelpaket und wog bestimmt 150 Kilo.
    Cam drehte sich zu Luce und lächelte sie an. »Was ist dein Lieblingsgift?«
    »Ist mir egal«, sagte Luce. »Weiß ich gar nicht so genau.«
    »Den Champagner auf meiner Party hast du, glaub ich, ganz gerne getrunken«, sagte Cam. »Merkst du, wie

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