Engelsnacht
halte dich nicht für ein dummes Huhn.« Er schloss die Augen. »Du bist das klügste Mädchen, das ich kenne. Und das netteste. Und -«, er schluckte, schlug die Augen auf und blickte sie an -, »- das schönste.«
»Wie bitte?«
Er hatte sich wieder umgedreht und schaute auf den Ozean hinaus. »Es ist nur … ich bin es so müde.« Er klang erschöpft.
»Was bist du müde?«
Er warf ihr einen kurzen Blick zu, mit einem unendlich traurigen Ausdruck im Gesicht, als hätte er etwas sehr, sehr Wertvolles verloren. Und wieder hatte sie das Gefühl, dass
das der Daniel war, den sie kannte. Sie kannte ihn von irgendwoher, nur konnte sie sich nicht erinnern, wann und wo sie ihm schon einmal begegnet war. Das war der Daniel, den sie … liebte.
»Vertrau mir«, flüsterte sie.
Er schüttelte den Kopf. Aber er drehte sich zu ihr und schaute sie an. Seine Lippen waren ganz nahe an ihren. Und seine grau-violetten Augen blickten verführerisch und fragend. Fast als wollte er, dass sie den ersten Schritt machte.
Sie zitterte am ganzen Körper, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und zu ihm neigte. Sie legte die Hand auf seine Wange und er blinzelte, aber er rührte sich nicht. Er wich nicht zurück. Sie kam langsam näher, so langsam, als fürchtete sie, ihn zu verschrecken, selbst erschrocken und jede Sekunde zur Flucht bereit. Und dann, als sie einander nahe genug waren, dass ihre Augen sich beinahe in seine versenkten, schloss sie die Lider und drückte ihre Lippen auf seine.
Eine weiche, federleichte Berührung ihrer Lippen, mehr war es nicht, was sie miteinander verband, aber ein Feuer, wie Luce es nie zuvor in sich hatte brennen fühlen, breitete sich in ihrem ganzen Körper aus, und sie wollte mehr davon. Sie wollte Daniel ganz. Sie wusste, dass sie kaum hoffen durfte, er würde sie in die Arme nehmen, wie er es so häufig in ihren Träumen getan hatte, würde ihren sanften, sehnsüchtigen Kuss erwidern, nur ungestümer.
Aber er tat es.
Seine Arme umfassten ihre Taille. Er zog sie an sich und ihre Körper lehnten sich ineinander - ihre Beine fuhren zwischeneinander, ihre Hüften pressten sich aufeinander, sie atmeten beide im selben Rhythmus, sodass ihre Brustkörbe sich miteinander hoben und senkten. Und immer berührten
sich ihre Lippen, als wollten sie sich nie mehr voneinander lösen.
Dann fing er an, sie wirklich zu küssen, erst weich und kitzelnd am Ohr, mit kleinen, lustigen Lauten; danach lang und süß und zärtlich an ihrem Kinn entlang und ihren Hals hinab, bis sie stöhnte und den Kopf zurücklegte. Er griff in ihre Haare und sie öffnete die Augen, nur für eine Sekunde, und sah über sich die ersten Sterne am nächtlichen Firmament. Sie fühlte sich dem Himmel näher als je zuvor.
Und endlich kehrte Daniel zu ihren Lippen zurück, küsste sie mit großer Leidenschaft - saugte an ihrer Unterlippe und fuhr dann mit seiner weichen Zunge zwischen ihre Zähne. Sie öffnete ihren Mund weiter, erwiderte seinen Kuss und scheute sich nicht mehr, ihm zu zeigen, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte. Wie sehr sie sich nach ihm, Daniel, sehnte, als wäre es immer schon so gewesen.
Sie spürte den weichen Sand unter ihren nackten Fußsohlen und zwischen ihren Zehen. Vom Meer her wehte eine frische salzige Brise und Luce bekam eine Gänsehaut. Aber von ihrem Herzen strahlte ein wunderschönes, warmes Glücksgefühl in ihren ganzen Körper aus. Sie war wie verzaubert.
In diesem Augenblick hätte sie sterben können.
Für ihn. Für Daniel.
Er löste sich von ihr und schaute sie erwartungsvoll an, als wollte er, dass sie etwas sagte. Sie lächelte zu ihm auf und knabberte zärtlich an seinen Lippen, ließ ihre dann auf seinen ruhen. Nichts drückte besser aus, was sie empfand und was sie wollte.
»Du bist immer noch da«, flüsterte er.
»Mich bringt so schnell keiner von dir fort.« Sie lachte.
Daniel machte einen Schritt zurück und warf ihr einen
finsteren Blick zu. Sein Lächeln war verschwunden. Er begann, vor ihr auf und ab zu gehen, und fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
»Ist was nicht in Ordnung?«, fragte Luce leise und zog an seinem Ärmel, damit er wieder näher kam. Damit sie sich wieder küssen konnten. Er berührte mit seinen Fingern ihr Gesicht, ihre Haare, strich sanft über ihren Hals. Als wollte er sich vergewissern, dass das alles kein Traum war.
War das der erste echte Kuss in ihrem Leben gewesen? Denn Trevor zählte nicht, wenn sie es sich so recht überlegte, dafür
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