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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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Strahlen gebündelter Lichtpfeil, der weit, sehr weit in die Höhe führte und die Wolken durchbohrt und aufgefressen hatte. Die schwarzen Schatten rissen und zupften an dem Licht, ab und zu gelang es ihnen auch, einzelne Ranken und Girlanden herauszulösen, die sie dann höllisch kreischend in die Nacht davontrugen. Unterdessen wuchs die Säule immer weiter, mal mehr silbern, mal mehr golden glänzend, und ein mächtiger Akkord hallte durch die Lüfte, von unzählbar vielen Stimmen gesungen, sich wie in die Ewigkeit ausdehnend und laut wie das Rauschen aller Wasserfälle der Welt. Tiefe Töne wie Donnergrollen. Hohe Töne wie das lieblichste Vogelgezwitscher. Eine Sphärenmusik von himmlischer Harmonie, wie sie noch nie auf Erden gehört worden war. Schön und schrecklich.
    Außerdem stank es fürchterlich nach Schwefel.
    Wer in dieser Nacht zum Himmel blickte, musste glauben, dass der Weltuntergang nahe war. Oder das Paradies. Luce staunte sprachlos, überwältigt und ergriffen. Ihr Herzschlag setzte einen Augenblick aus. Daniel hatte ihr verboten, sich umzudrehen und zurückzublicken, weil er wusste, dass sie dann nur noch zu ihm wollen würde, in dieses gleißende Licht hinein.

    »Nein, kommt nicht in Frage.« Miss Sophia packte Luce am Genick und stieß sie vor sich her über das Schulgelände. Sie gelangten zur alten Kirche, der jetzigen Turnhalle. Da erst wurde Luce bewusst, dass Miss Sophia die ganze Zeit Penn auf einem Arm getragen hatte.
    »Wer sind Sie? Was sind Sie?«, fragte Luce, als Miss Sophia mit ihnen durch die Flügeltür ins Innere des Gebäudes trat.
    Die Religionslehrerin zog einen großen Schlüssel aus der Tasche ihres perlenbesetzten roten Cashmerejäckchens und steckte ihn in das Schloss einer Tür, die Luce im roten Backsteinmauerwerk überhaupt nicht aufgefallen war. Die Pforte glitt geräuschlos auf. Eine lange Treppe führte dahinter nach oben, und Miss Sophia bedeutete Luce, dass sie vorangehen sollte.
    Penn hatte die Augen geschlossen. Entweder war sie bewusstlos oder sie hatte so starke Schmerzen, dass es ihr schwerfiel, sie noch länger offen zu halten. Sie gab keinen Laut von sich, was Luce beunruhigte.
    »Wohin gehen wir?«, fragte Luce. »Wir sollten sie besser ins Krankenhaus bringen. Wo haben Sie ihr Auto geparkt?« Sie wollte Penn nicht erschrecken, aber ihre Freundin musste unbedingt von einem Arzt untersucht und versorgt werden. So schnell wie möglich.
    »Schsch, sei besser still.« Miss Sophia warf einen Blick auf Penns Wunde und seufzte tief auf. »Wir gehen in den einzigen Raum hier, der nicht durch Sportgeräte entweiht worden ist. Wo wir ungestört sind.«
    Penn hatte in Miss Sophias Armen zu stöhnen begonnen. Das Blut aus ihrer Wunde hinterließ auf dem Marmorboden eine dicke, dunkelrote Spur.
    Luce musterte die lange, steile Treppe. Ihr Ende war nicht
zu erkennen. »Ich glaube, wir sollten hierbleiben. Wir müssen so schnell wie möglich Hilfe holen.«
    Miss Sophia seufzte noch einmal, legte Penn auf dem Boden ab und richtete sich dann schnell wieder auf, um die Tür zu verriegeln, durch die sie soeben gekommen waren. Luce sank neben Penn auf die Knie. Ihre Freundin sah so schmal und zerbrechlich aus. Im trüben Licht des schmiedeeisernen Leuchters über ihnen wurde ihr klar, wie schwer Penn tatsächlich verletzt war.
    Penn war die Einzige in der Sword & Cross, der Luce wirklich vertraute, die Einzige, durch die sie sich nicht eingeschüchtert fühlte. Nachdem Luce gesehen hatte, wozu Arriane und Gabbe und Cam in der Lage waren, verstand sie die Welt nicht mehr. Aber eines wusste sie: Penn war ihre einzige wirkliche Freundin hier. Das einzige Mädchen, das so war wie sie.
    Nur dass Penn viel stärker als sie war. Klüger und glücklicher und zufriedener mit sich und der Welt. Ohne Penn hätte Luce die ersten Wochen in der Besserungsanstalt wahrscheinlich nicht überstanden. Wer weiß, was ohne Penn mit ihr passiert wäre?
    »Ach, Penn.« Luce entfuhr ein langer, tiefer Seufzer. »Es wird alles wieder gut. Wir bringen dich gleich ins Krankenhaus und da versorgen sie dich.«
    Penn murmelte etwas Unverständliches, was Luce noch unruhiger und besorgter machte. Sie wandte sich hilfesuchend an Miss Sophia, die in dem Vorraum sorgfältig ein Fenster nach dem anderen verriegelte.
    »Sie verliert so viel Blut«, sagte Luce. »Wir müssen unbedingt sofort einen Arzt rufen.«
    »Ja, ja, natürlich«, erwiderte Miss Sophia, aber ihre Stimme klang, als wäre sie mit den

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