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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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hatte.

    Es war die Fortsetzung der Geschichte zwischen Daniel und ihr, am See. Doch anders als in der Realität hatte Luce den Mut gehabt, Daniel nachzuschwimmen, als er sich umgedreht hatte und in den See gesprungen war. Das Wasser war warm, so angenehm, dass sie sich noch nicht einmal nass gefühlt hatte, und Schwärme kleiner violetter Fische umspülten sie. Luce schwamm, so schnell sie konnte, und zuerst dachte sie, die Fische würden ihr dabei helfen, schneller ans Ufer und zu Daniel zu gelangen. Aber bald wurden die Schwärme immer dichter und dunkler und schwirrten vor ihrem Gesicht und sie konnte kaum mehr etwas sehen. Die Fische waren nun schwarzviolett und starrten sie böse an und kamen immer näher und näher, bis sie überhaupt nichts mehr sah, und dann spürte sie, wie sie in die Tiefe sank, sie glitt durchs Wasser nach unten, hinunter auf den schlammigen Grund des Sees. Ob sie noch atmen konnte oder nicht, war bedeutungslos. Aber sie spürte verzweifelt, dass sie nie mehr zurück ans Licht tauchen würde. Sie würde Daniel für immer verlieren.
    Dann war aus der Tiefe plötzlich Daniel erschienen, die Arme weit ausgebreitet. Er verscheuchte die schwarzvioletten Fische, umschlang Luce und gemeinsam stiegen sie zur Wasseroberfläche auf. Sie durchbrachen den Spiegel des Sees, stiegen immer höher und höher, am Felsen vorbei, an der Magnolie, und einen Augenblick später schwebten sie bereits so weit oben in der Luft, dass Luce den Boden nicht mehr sehen konnte.
    Miss Sophias Hände waren schließlich auf das Pult gesunken. »Bis sie schließlich in den Flammen der Hölle landeten«, sagte sie.
    Luce schloss die Augen und atmete lang und tief aus. Es war nur ein Traum gewesen. Und das hier war leider die Wirklichkeit.

    Sie seufzte, stützte das Kinn in die Hand und merkte, dass sie immer noch Mollys Zettel mit der daraufgekritzelten Antwort umklammert hielt. Wie dumm und unbesonnen von ihr. Besser sie reagierte überhaupt nicht, dann hatte Molly wenigstens nicht die Befriedigung, sie verletzt zu haben.
    Ein Papierflieger landete auf ihrem linken Unterarm. Luce blickte in die Richtung, aus der er gekommen war. Ganz am Rand, in der Ecke, saß Arriane und machte ein übertriebenes Winkewinke-Zeichen.
    Ich hoffe mal, du versinkst jetzt nicht in satanische Träumereien. Wohin bist du eigentlich mit DG am Samstagnachmittag verschwunden?
    Luce hatte an diesem Tag noch überhaupt keine Gelegenheit gehabt, allein mit Arriane zu sprechen. Und am Sonntag auch nicht. Woher also wusste sie das mit Daniel? Während Miss Sophia sich daran machte, mit ihrem Fingerschattenspiel die neun Höllenkreise darzustellen, beobachtete Luce, wie Arriane den Arm hob, um mit einem weiteren Papierflieger auf ihr Pult zu zielen.
    Molly sah es auch.
    Und streckte genau rechtzeitig den Arm hoch, um sich den Flieger zu schnappen. Da steckte er nun zwischen ihren schwarz lackierten Fingernägeln. Aber Luce war nicht bereit, ihr auch diesen Sieg zu gönnen. Sie griff blitzschnell zu und entriss ihr den Zettel, der dabei laut in der Mitte entzweiriss. Luce hatte gerade noch Zeit, das Papier in der Hosentasche verschwinden zu lassen, bevor Miss Sophia sich umdrehte.
    »Lucinda und Molly«, sagte sie, stützte die Hände auf dem Pult ab und beugte sich tadelnd vor. »Wenn ihr etwas
zu diskutieren habt, dann lasst uns alle hier in der Klasse daran teilhaben, statt heimlich Zettel auszutauschen.«
    In Luces Kopf raste es. Wenn ihr nicht sofort etwas einfiel, dann würde Molly ihr zuvorkommen, und das könnte sehr unangenehm für sie werden.
    »M-Molly hat gerade gesagt«, stammelte sie, »dass sie Ihnen nicht zustimmt, was die Hölle betrifft. Sie …«
    »Nun, Molly, wenn du eine andere Vorstellung von der Unterwelt hast, dann erzähl uns davon. Ich würde sie liebend gerne hören.«
    »Was zum Teufel …«, murmelte Molly. Dann räusperte sie sich und stand auf. »Nun ja … Sie haben Luzifers Schlund als den untersten Kreis der Hölle beschrieben, in dem alle Verräter landen. Aber ich finde«, und das hörte sich an, als hätte sie etwas auswendig gelernt, »ich finde, das der schrecklichste Platz in der Hölle nicht den Verrätern vorbehalten sein sollte, sondern den Feiglingen.« Sie warf Luce einen langen, bösen Blick zu. »Den schwachen, rückgratlosen Verlierern. Denn ein Verräter, was ist ein Verräter? Jemand, der eine bewusste Entscheidung getroffen hat. Aber Feiglinge? Sie laufen nur herum, kauen auf den Fingernägeln und sind

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