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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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mit den leuchtend rosa Haaren, das langsam die Tribüne heruntergestiegen kam, »ist meine Schwester Annabelle.«
    Annabelle ignorierte Luces ausgestreckte Hand, breitete die Arme aus und schloss sie in eine lange und innige Umarmung. Luce spürte, wie ihre Hüftknochen aneinanderstießen. Sie fing an, sich unwohl zu fühlen, und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, da ließ Annabelle sie glücklicherweise los.
    »Freut mich, dich kennenzulernen«, sagte sie.
    »Mich auch«, sagte Luce mit einem fragenden Blick zu Arriane.
    »Wollt ihr auch zu Mr Coles Führung?«, fragte sie Arriane, die ihre Schwester anschaute, als wäre sie komplett verrückt.
    Annabelle öffnete schon den Mund, um etwas sagen, aber Arriane kam ihr hastig zuvor. »Nie im Leben«, antwortete sie. »Diese ganzen Aktivitäten sind was für absolute Lahmärsche.« Sie warf einen Blick zu Luces Eltern. »Oh, Entschuldigung, war nicht so gemeint.«
    Annabelle blickte Luce bedauernd an. »Vielleicht treffen wir uns ja später noch!«, rief sie, während Arriane sie fortzerrte.
    »Nette Mädchen«, sagte Luces Mutter in dem Tonfall, den sie immer drauf hatte, wenn sie von Luce eine Erklärung erwartete.
    »Ähm, warum ist Arriane gleich so auf dich zugestürzt?«, fragte Penn.
    Luce blickte zu Penn, dann zu ihren Eltern. Musste sie sich jetzt wirklich verteidigen, weil jemand sie offensichtlich spontan sympathisch fand?
    »Lucinda!« Mr Cole winkte vom Friedhofstor, an dem er mutterseelenallein stand. »Hierher!«

    Der Geschichtslehrer gab ihren Eltern einen warmen Händedruck und klopfte sogar Penn kurz auf die Schulter. Luce wusste nicht recht, ob sie sich ärgerte, dass Mr Cole sich zu einer solchen Aktion am Elterntag bereit erklärt hatte, oder beeindruckt war, weil er so täuschend echt Begeisterung heucheln konnte. Aber als er dann weitersprach, war sie überrascht.
    »Ich bereite mich das ganze Jahr auf diesen Tag vor«, erklärte er. »Eine wunderbare Gelegenheit, den Schülern und ihren Eltern draußen an der frischen Luft die Schätze auf diesem Friedhof zu zeigen. Als Lehrer an einer Besserungsanstalt macht man ja leider keine Exkursionen mit seinen Schülern. Allerdings ist bei einem Elterntag noch nie jemand aufgetaucht, um an meiner Führung teilzunehmen. Das ist jetzt für mich das erste Mal.«
    »Nun, wir fühlen uns sehr geehrt«, sagte Luces Vater freundlich und lächelte Mr Cole an. Luce spürte, dass daraus nicht nur die Begeisterung ihres Vaters für alles sprach, was mit dem Amerikanischen Bürgerkrieg zusammenhing. Er musste den Eindruck gewonnen haben, dass Mr Cole es ernst und aufrichtig meinte. Und ihr Vater war ein sehr guter Menschenkenner.
    Die beiden Männer waren bereit, mit der Führung anzufangen. Luces Mutter stellte den Picknickkoffer neben dem Tor ab und warf Luce und Penn ein verbindliches Lächeln zu.
    Mr Cole räusperte sich. »Zunächst ein paar Anekdoten und eine Frage. Was ist wohl das Älteste in diesem Friedhof?«
    Während Luce und Penn auf ihre Füße schauten und jeglichen Blickkontakt mit ihm vermieden, wie sie es auch im Unterricht machten, stellte sich Luces Vater auf die Zehenspitzen,
um sich schnell einen ersten Eindruck von den Grabmälern zu verschaffen.
    »Fangfrage!«, rief Mr Cole und klopfte mit der Hand auf das schmiedeeiserne Tor. »Nämlich die Mauer hier mitsamt diesem kunstvoll geschmiedeten Tor. Beides stammt aus dem Jahr 1831. Man erzählt sich, dass Ellamena, die Frau des ersten Besitzers, einen prächtigen Gemüsegarten hatte und nicht wollte, dass die Perlhühner an ihre Tomatenstauden kamen.« Er lachte leise. »Das war lange vor dem Bürgerkrieg. Und vor der Bodenabsenkung. Und jetzt kommen Sie bitte mit!«
    Während sie den Abhang hinuntergingen, ratterte Mr Cole alle möglichen Fakten herunter, zum Bau des Friedhofs, zu den historischen Hintergründen sowie zu dem »Künstler« - hier klang er sehr ironisch -, der die geflügelte Monsterskulptur auf der hohen Säule in der Mitte des Friedhofs geschaffen hatte. Luces Vater bombardierte Mr Cole mit Fragen, ihre Mutter strich von Zeit zu Zeit über einen Grabstein, murmelte »Oh mein Gott« und hielt an, um die Inschrift zu lesen, und Penn schlurfte hinter Luces Mutter her und verfluchte sich wahrscheinlich schon dafür, dass sie sich ihnen angeschlossen hatte. Luce war ganz in Gedanken versunken und bildete das Schlusslicht. Was ihre Eltern wohl sagen würden, wenn sie ihnen ihre ganz persönliche Führung durch den Friedhof

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