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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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dass an dem Backsteinhäuschen, das wohl früher einmal eine funktionierende Telefonzelle gewesen war, eine Videokamera angebracht war. Das Rotlicht musste einen Bewegungsmelder enthalten, denn die Kamera vollführte Schwenks. Das war bestimmt kein »totes Licht«, Arriane hatte es ihr bei ihrer Spezialtour auch nicht gezeigt. Luces Eltern bemerkten nichts - und das war wahrscheinlich auch besser so.
    Dann gingen sie davon, drehten sich noch zweimal nach den beiden Mädchen um, die am Eingang des Schulgeländes standen, und winkten ihnen zu. Luces Vater ließ den Motor seines alten schwarzen Chrysler New Yorker an und kurbelte das Fenster herunter.
    »Wir lieben dich«, rief er so laut über den Parkplatz, dass Luce sich geniert hätte, wäre sie nicht so traurig gewesen, ihre Eltern wieder wegfahren zu sehen.
    Sie winkte zurück. »Danke«, flüsterte sie. Für die Pralinen und die eingemachten Okraschoten. Dass ihr den ganzen Tag hier mit mir verbracht habt. Dass ihr Penn für heute adoptiert habt, ohne Fragen
zu stellen. Dass ihr mich immer noch liebt, obwohl ich euch Angst mache.
    Als die Rücklichter um die Kurve verschwunden waren, klopfte Penn ihr tröstend auf den Rücken. »Ich geh jetzt mal meinen Vater besuchen.« Sie fuhr mit dem Schuh über den Asphalt und blickte verlegen zu Luce. »Willst du vielleicht mitkommen? Wenn nicht, würde ich das natürlich auch verstehen, weil das ja bedeutet, dass du mit mir da reinmusst …« Sie deutete mit dem Daumen Richtung Friedhof.
    »Natürlich komm ich mit«, sagte Luce.
    Sie gingen gemeinsam innen an der Friedhofsmauer entlang, bis sie am hinteren Ende - der Ostecke - angelangt waren, wo Penn vor einem Grab stehen blieb.
    Es handelte sich um eine schlichte weiße Grabplatte, von einer dicken Schicht Kiefernnadeln bedeckt. Penn kniete sich hin und wischte die Nadeln weg.
    STANFORD LOCKWOOD, stand auf dem einfachen Grabstein zu lesen, DER BESTE VATER DER WELT.
    Luce konnte richtig Penns Stimme hören, als sie die Inschrift las, und die Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie wollte nicht, dass Penn es bemerkte - sie, Luce, hatte ihre Eltern ja noch. Wenn jemand das Recht hatte, jetzt zu weinen, dann war es Penn … und sie tat es auch. Sie versuchte, es so gut wie möglich zu überspielen, schniefte leise vor sich hin und wischte sich verstohlen die Tränen aus den Augen. Luce kniete sich auch hin und half ihr, den Grabstein zu säubern. Dann legte sie die Arme um ihre Freundin und drückte sie, so fest sie konnte.
    Als Penn sich schließlich aus der Umarmung löste, bedankte sie sich bei Luce, langte dann in ihre Hosentasche und zog einen Brief heraus.
    »Ich schreibe ihm immer«, sagte sie.

    Luce wollte ihr einen Augenblick mit ihrem Vater allein gönnen, deshalb stand sie auf, trat einen Schritt vom Grab weg, drehte sich um und wanderte langsam den Abhang zur Mitte des Friedhofs hinunter. Sie hatte immer noch Tränen in den Augen, aber sie glaubte, jemand ganz oben auf der hohen Säule sitzen zu sehen, an den großen Engel gelehnt. Ja. Ein Junge, der die Arme um die Knie geschlungen hatte. Sie wusste nicht, wie er da hochgekommen war, aber da saß er.
    Er wirkte einsam und wie versteinert, als hätte er bereits den ganzen Tag da gesessen. Er schien Luce nicht zu bemerken. Er schien überhaupt nichts zu bemerken. Luce musste nicht noch näher herankommen und ihm in die grau-violett gesprenkelten Augen schauen, um zu wissen, wer es war.
    Die ganze Zeit über hatte Luce nach Erklärungen gesucht, warum Daniels Akte so dünn war, welches große Geheimnis sich hinter der Tatsache verbarg, dass das Buch seines Vorfahren aus der Bibliothek verschwunden war. Sie hätte gerne von ihm erfahren, was in seinem Kopf vorgegangen war, als sie ihn damals im Klassenzimmer nach seiner Familie fragte; warum er abwechselnd so warmherzig und so kalt war …
    Nach dem Tag mit ihren Eltern, der so viele Gefühle in ihr wachgerufen hatte, war ihr der Gedanke unerträglich. Aber es schien so zu sein. Daniel war ganz allein auf der Welt.

Vierzehn
    Wenn man vom Teufel spricht

    Am Dienstag regnete es den ganzen Tag. Von Westen zogen grauschwarze Wolken herauf, eine dicke Wolkenwand, die dann schwer und dräuend über der Schule hing - und wenig geeignet war, um in Luces Kopf für frischen Wind zu sorgen. Der Regen kam in unregelmäßigen Schüben: erst tröpfelnd, dann stärker werdend, bis es schließlich vom Himmel schüttete, aufhörte und danach alles wieder von vorne begann. In der

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