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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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Pause war es den Schülern nicht erlaubt worden, in den Regen hinauszugehen, und am Ende des Matheunterrichts driftete Luce allmählich völlig ab.
    Sie merkte es daran, dass die Aufzeichnungen in ihrem Heft nichts mehr mit dem Mittelwertsatz der Differenzialrechnung zu tun hatten, sondern eher folgende Gestalt annahmen:
    15. September: Erste Begegnung, Stinkefinger von D.
    16. September: Umgestürzte Statue, Hand über meinem Kopf, um mich zu schützen (vielleicht suchte er auch nur nach einem Ausgang); D. verschwindet sofort.
    17. September: Mögliche Fehlinterpretation von D.s Nicken als Aufforderung, zu Cams Party zu kommen. Verstörende Entdeckung:
    D & G-Beziehung (Irrtum?)
    Wenn sie es sich so durchlas, dann ergab das den Anfang einer ziemlich unerfreulichen Liste. Daniel war einfach so heiß und kalt. Vielleicht hatte er von ihr ja denselben Eindruck - obwohl Luce zu ihrer Verteidigung anführen musste, dass ihr möglicherweise seltsames Verhalten immer nur die Reaktion auf sein seltsames Verhalten war.
    Nein. Das war genau der gedankliche Teufelskreis, auf den sie sich nicht einlassen wollte. Luce wollte nicht irgendwelche strategischen Überlegungen anstellen. Sie wollte keine Spielchen spielen. Sie wollte einfach nur mit ihm zusammen sein. Warum das so war, wusste sie nicht. Wie sie das anstellen sollte. Oder was das dann wirklich bedeuten würde: mit ihm zusammen sein. Alles, was sie wusste, war, dass sie nur an ihn dachte. Dass ihr Herz ihm gehörte.
    Wenn sie eine genaue Liste machte, wann er auf sie zugegangen war und wann er sich wieder zurückgezogen hatte, so dachte sie, dann könnte sie vielleicht hinter den Grund für Daniels rätselhaftes Verhalten kommen. Aber was sie bisher aufgeschrieben hatte, deprimierte sie nur noch mehr. Sie riss die Seite heraus und knüllte sie zusammen.
    Als es endlich klingelte und der Unterricht für diesen Tag vorbei war, beeilte sich Luce, aus dem Klassenzimmer zu kommen. Normalerweise wartete sie auf Arriane oder Penn und hatte Angst vor dem Augenblick, wenn sie sich trennten, weil sie dann mit ihren Gedanken allein sein würde. Aber an diesem Tag war ihr nicht danach, sie wollte keine Menschenseele mehr sehen. Sie wusste nur ein Mittel, um die Gedanken an Daniel abzuschütteln: lange, einsame, anstrengende Bahnen im Schwimmbecken zu ziehen. Während die anderen Schüler sich zum Wohnheim aufmachten, um dort in ihren Zimmern zu verschwinden, lenkte sie ihre
Schritte durch den Regen in die andere Richtung, zur Turnhalle mit dem Schwimmbad.
    Luce zog sich die Kapuze ihres schwarzen Sweaters über den Kopf, lief hastig die Treppen von Augustine hinunter und prallte mit etwas Großem und Schwarzem zusammen. Cam. Als sie ihn anrempelte, geriet der Bücherstapel auf seinen Armen ins Schwanken, der Bücher fielen herunter und lagen auf den nassen Stufen verstreut. Er hatte ebenfalls seine schwarze Kapuze über den Kopf gezogen und hörte außerdem mit Ohrstöpseln Musik. Sie waren beide ganz in ihre eigenen Welten versunken gewesen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er und legte ihr die Hand auf den Rücken.
    »Ja, ja«, sagte Luce. Sie war nur etwas erschrocken, aber Cams Bücher lagen im Dreck.
    »Wo wir uns schon gegenseitig über den Haufen gerannt haben, wäre es da jetzt nicht der nächste logische Schritt, dass unsere Hände sich zufällig berühren, während wir meine Habseligkeiten wieder aufsammeln?«
    Luce lachte. Als sie ihm eines der Bücher reichte, hielt er ihre Hand fest und drückte sie. Sein Gesicht war nass vom Regen, die schwarzen Haarsträhnen an seiner Stirn glänzten, seine dichten, langen Wimpern waren voller glitzernder Tropfen. Er sah umwerfend schön aus.
    »Wie … wie sagt man ›verlegen‹ auf Französisch?«, fragte er.
    »Ähm … gêné «, sagte Luce, die sich plötzlich selbst etwas gênée fühlte. Cam hielt immer noch ihre Hand. »Aber warum fragst du? Hast du nicht gestern beim Französisch-Test ein A bekommen?«
    »Das hast du bemerkt?« Seine Stimme klang seltsam.
    »Cam, ist alles in Ordnung?«

    Er beugte sich über sie und wischte einen Wassertropfen weg, der ihr über die Nase lief. Als sein Finger ihre Haut berührte, zitterte sie am ganzen Körper und plötzlich wollte sie nur noch, dass er die Arme um sie legte wie damals nach der Trauerfeier für Todd. Wie warm und geborgen sich das anfühlen würde.
    »Ich hab dauernd an dich gedacht«, sagte er. »Ich wollte dich sehen. Ich hab damals mit dem Angelcake in der Hand auf dich

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