Engelspakt: Thriller (German Edition)
Kapital schlug? Alles war verhandelbar, wenn der Preis stimmte. Zanolla würde vermutlich nicht wieder freikommen, aber als Gefangener in einem Labor konnte er weitaus Schlimmeres anrichten. Weder Coelho noch Catherine war so naiv, einer Organisation wie der ISA rückhaltlos zu vertrauen. Letztendlich ging es immer um Wissen und Macht.
»Das liegt nicht in unserer Hand, Schwester. Aber ich vermute, dass Zanolla nicht ganz auf eigene Rechnung gearbeitet hat. Wer auch immer sein Auftraggeber ist, er wäre gewiss ziemlich sauer, wenn er zu viel ausplauderte. Natürlich wird das nichts daran ändern, dass die ISA versuchen wird, so viel wie möglich aus Zanolla herauszuholen. Und natürlich aus uns.«
Catherine verstand. Der Brief und ihr Diktiergerät waren bei Coelho unter Verschluss. Er würde der ISA nur jene Informationen preisgeben, die für die Überführung Zanollas unbedingt notwendig waren. Kein Wort über die Triaden oder die genetische Verbindung Cibans zu dem Jungen. Auch Catherine würde im Umgang mit der ISA vorsichtig sein. Und der großmäulige Ganzoli würde als Vertreter der italienischen Polizei von allen vermutlich noch in der finstersten Dunkelheit herumtappen.
»Eine Frage hätte ich noch: Wie ist die ISA überhaupt auf Zanolla gekommen?«, fragte sie.
»Über eine illegale Samenbank in Deutschland«, erklärte Coelho. Errötete der Kommandant etwa leicht? »Und jetzt lassen wir das, Schwester. Sie müssen sich erholen.« Er zwinkerte mit einem Auge. »Seine Exzellenz Bischof Tardini wartet gewiss schon mit einer Menge Arbeit auf Sie.«
»Sehr witzig, Herr Generalinspektor.« Ein Schmunzeln konnte sie sich dennoch nicht verkneifen. Wie es aussah, hatte Tardinis höflicher Marschbefehl an Catherine, die alten Aktenberge im Keller des Inquisitionspalastes nun endlich einmal abzustauben, im kleinen Kreis die Runde gemacht.
Auch Rinaldo und Schwester Giada besuchten sie, stellten jedoch kaum Fragen. Die beiden nahmen einfach nur Rücksicht und schienen sich vor allem darüber zu freuen, Catherine und Ciban lebend wiederzusehen.
Sie blieb noch zwei Tage zur Beobachtung in der Klinik, ließ die eine oder andere Untersuchung über sich ergehen und besuchte Ciban, so oft sie konnte.
In der ersten Nacht, in der sie wieder in ihrem eigenen Bett schlief, fing sie an, sich an ihre Träume zu erinnern. Es waren sehr intensive Bilder. Träume, die im Großen und Ganzen in verschlüsselter Form die Ereignisse der letzten Tage widerspiegelten. Es würde noch eine ganze Weile vergehen, bis sie darüber hinweg war. In einem der Träume tauchte eine Begebenheit auf, die sie schon komplett vergessen hatte: ihre Begegnung mit Gasperetti vor der Villa Borghese. Seine Anspielungen. Sein Angebot. Sein Ultimatum.
Sie traf eine Entscheidung. Nach allem, was sie in den letzten Tagen durchgemacht hatte, fiel ihr dieser Entschluss nicht einmal schwer. Wenn sie genauer darüber nachdachte, hatte sie diese Entscheidung sogar schon seit dem Gespräch mit Ciban in Papst Leos Aufzug getroffen.
Nein, es gab kein Zurück. Sie wollte auch gar kein Zurück mehr. Sie würde joggen gehen. Sie würde ein Treffen mit Gasperetti vereinbaren. Und sie würde dabei klare Grenzen ziehen.
Niemand würde einfach so über ihre Gabe verfügen.
89.
Der Parkplatz vor der Villa Borghese war fast leer, als Catherine dort parkte. Der Wind war so früh am Morgen noch kühl, aber er hatte nicht mehr die scharfe Kälte, die er noch vor über zwei Wochen gehabt hatte. Sie lief die kleine Runde durch den Park, joggte gemütlich am Äskulaptempel und der Piazza Siena vorbei und kehrte schließlich zu ihrem Ausgangspunkt am Piazzale Flaminio zurück.
In der vergangenen Nacht waren Catherines Träume äußerst bizarr gewesen. Der Junge war darin vorgekommen, ebenso Darius, Lazarus, ihr Jugendfreund Ben und Ciban. Es erstaunte sie nach wie vor, dass Darius Dr Robert Martini alias Lazarus gekannt hatte. Wie klein die Welt bisweilen war. Und wie außergewöhnlich. Als spönne das Schicksal unsichtbare Fäden, die alles miteinander verbanden, ganz gleich wie weit entfernt es schien. Der Gedanke an die Aura des alten Klerikers ließ sie noch immer staunen.
Sie erinnerte sich an ein Buch, das sie sich als Teenager einmal aus der Bibliothek des KIMH geliehen und über das sie dann mit Darius während einer ihrer Wanderungen durch die sommergrünen Laubwälder rund um Chicago gesprochen hatte. Darin ging es um die anthroposophisch-medizinische
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