Engelspakt: Thriller (German Edition)

haben, Schwester, aber ich weiß, welches Risiko Sie eingegangen sind. Und es hat irgendwie funktioniert. Deshalb werde ich Ihnen jetzt auch nicht den Kopf abreißen.«
    Erst in dem Moment fiel Catherine der Brief wieder ein. Dieser unmögliche Brief! Und das Diktiergerät! Sie erzählte Coelho kurz von den Ereignissen in Martinis Haus, die sich förmlich überschlagen hatten.
    »Sie haben den Brief gelesen, Herr Generalinspektor oder?«
    Coelho nickte. »Ihr Diktiergerät war ebenso aufschlussreich.«
    Catherine runzelte die Stirn. »Wie konnten Sie mich überhaupt so schnell in der Klinik finden? Sie waren doch sicher bei Martinis Haus?«
    Coelho schüttelte den Kopf. »Rinaldo und ich waren gerade auf dem Weg zu Ihnen und fast schon bei Ihrer Wohnung angelangt, als wir einen Anruf erhielten.«
    »Einen Anruf? Von wem?«
    »Sie werden es nicht glauben. Von dem Jungen auf dem Porträt. Genauer gesagt von dem Jungen und einem ISA -Agenten, der sich in der Klinik von Zanolla mit dem Jungen verbündet hat. Der Anruf ging ebenso an die International Security Agency.«
    Die ISA war Catherine keine unbekannte Größe mehr, seit Schwester Giola ihr berichtet hatte, dass auch Ciban im Rahmen seiner Tätigkeit für den vatikanischen Geheimdienst mit der International Security Agency zusammengearbeitet hatte.
    »Die ISA hat Zanolla einkassiert«, fuhr Coelho fort, »und verhört gerade das Klinikpersonal. Aber wir haben den Jungen.«
    »Sie haben den Jungen gesehen?«
    »Ja.« Coelho nickte zur Bekräftigung, und es war das erste Mal, dass Catherine Unsicherheit in seinen Augen sah.
    »Und?« Sie musste an die Prophezeiung in dem Brief denken. Messias oder Antichrist.
    Coelho zuckte mit den Achseln. »Ich kann nichts Dunkles in ihm erkennen. Eher im Gegenteil. Aber ich bin auch nur ein gewöhnlicher Mensch.«
    »Das Lux Domini darf den Jungen auf gar keinen Fall in die Finger bekommen.« Mit dem Lux Domini meinte Catherine Kardinal Gasperetti, was Coelho sehr wohl verstand.
    »Ich habe bereits Maßnahmen ergriffen, damit dies nicht geschieht. Solange Kardinal Ciban nicht im Vollbesitz seiner körperlichen und geistigen Kräfte an seinem Schreibtisch sitzt, bleibt der Junge an einem geheimen Ort. Er heißt übrigens tatsächlich David.«
    David! Scelpa hatte wirklich keinerlei Skrupel gehabt. Selbst den Namen, den die Mutter ihrem Sohn hatte geben wollen, hatte er einfach übernommen.
    Coelho holte zwei Fotos aus seiner Jacke hervor. »Aber das ist nicht alles, Schwester. Ich habe noch eine Überraschung für Sie.«
    Catherine schaute sich die beiden Fotos an. Das eine zeigte Zanolla. Das andere Scelpa.
    »Fällt Ihnen etwas auf?«
    Catherine betrachtete die Fotos noch einmal intensiver. Sie stutzte. »Die Augen …«
    Coelho nickte. »Zanolla ist Scelpa! Der Mediziner ist bei dem Klinikbrand nie ums Leben gekommen. Dafür aber Zanolla, also hat Scelpa kurzerhand dessen Identität angenommen. Gefälschte Papiere, ein paar kosmetische Eingriffe und ab nach Italien. Niemand hat Verdacht geschöpft. Kein Hahn hat je wieder nach Scelpa gekräht, geschweige denn nach dem ausgewanderten Zanolla. Man kann heutzutage durch plastische Chirurgie eine Menge kaschieren, aber nie den Ausdruck der Augen.«
    Auf einmal war Catherine alles klar. Deshalb war es ihr so erschienen, als ob Zanolla, wenn er von Scelpa sprach, über sich selbst redete. Nicht Zanolla hatte Scelpa ermordet. Es war genau umgekehrt. Höchstwahrscheinlich war Zanolla seinem kriminellen Kollegen auf die Schliche gekommen und hatte Scrimgeour entweder informieren oder Scelpa erpressen wollen. Damit alles wie ein Unfall aussah, hatte die Fruchtbarkeitsklinik mit all ihren Beweisdaten gleich mit daran glauben müssen.
    »Ich habe das zweite Foto im Wagen Seiner Eminenz gefunden, im Handschuhfach. Wie es aussieht, war er gerade hinter die wahre Identität Zanollas gekommen«, fügte Coelho nach einer Pause hinzu. »Kein Wunder, dass Zanolla Scrimgeour auf ihn gehetzt hat. Eine irrwitzige und zugleich raffinierte Lösung, zwei Männer, die eigentlich Verbündete sein sollten, gegeneinander auszuspielen.«
    »Was geschieht nun mit Zanolla?«, fragte sie.
    Coelho wusste, worauf Catherine hinauswollte. Zanolla war ein brillanter, wenn auch skrupelloser Wissenschaftler. Schon nach dem Zweiten Weltkrieg hatten etliche Länder von dem Know-how der skrupellosesten Nazi-Wissenschaftler profitiert. Was passierte, wenn Zanolla aus seiner Forschung und der Geschichte über die Triaden