Engelspakt: Thriller (German Edition)
fürchte, sie hatte das Vertrauen des Doktors verloren.« Mit diesen Worten blickte Ambrose auf seine Armbanduhr. »Ich muss jetzt gehen.«
»Wohin?«
»Zu einem anderen Schüler, der auf ein Experiment vorbereitet wird. Bitte verhalte dich ruhig, David, und sei vorsichtig.«
Ambrose verabschiedete sich von ihm, trat auf den grauen Flur hinaus und verschwand im Labyrinth der Gänge des Instituts.
David betrachtete noch einmal das silberne Kreuz. In einem seiner Bücher hatte er gelesen, dass das Kreuz den Opfertod Jesu Christi symbolisiere, dass es für die Verbundenheit des Menschen mit der Erde sowie den Mitmenschen stehe und ebenso für die Verbundenheit mit dem ewig Göttlichen. Er fragte sich, ob Aaren an diese religiöse Symbolik geglaubt hatte, und wünschte sich inständig, dass ihr nichts passiert war. Dass sie zurückkehrte und erklärte, es sei alles okay, sie sei einfach nur Zeugin eines wahnsinnig interessanten Experimentes gewesen. Ebenso wünschte sich David, Ambrose vertrauen zu können, doch er wagte es nicht. Jedenfalls noch nicht.
Hinter seiner hässlichen Fassade schien der Aufseher ein ganz passabler Mensch zu sein. Aber wie es aussah, hatte er keine Ahnung, was sich hinter den Kulissen der Labore abspielte. Das machte David noch mehr Angst. Wenn David nicht aufpasste, stürzte Ambrose sie womöglich beide ins Verderben.
Er zog die Kette mit dem Kreuz vorsichtig über den Kopf und versteckte sie im Bücherregal, damit sie bei einer der Sitzungen in der Isolationskammer nicht entdeckt wurde. Als sein Blick das Buch über Musiktheorie streifte, fiel ihm das darin versteckte Zeitungsporträt von Kardinal Ciban wieder ein. Er öffnete den Band und nahm das Foto vorsichtig heraus. Beim Blick in die strengen Augen des Mannes erinnerte er sich sofort wieder an dessen düstere Aura, die er während der ersten Sondierung in der Iso-Kammer wahrgenommen hatte. Wer immer dieser Kardinal war, er war mit Vorsicht zu genießen. Auch wenn David wusste, dass Papst Leo dem Mann bedingungslos vertraute. Hinter diesen scharfen, gebieterischen Augen verbargen sich ein tiefer Schmerz und eine noch weit größere Wut. Da war etwas, das böse Gedanken tief in jeder Seele erwecken konnte.
Diesmal legte David das Foto nicht wieder weg. Er prüfte, ob die Tür zu seinem Zimmer verschlossen war, auch wenn es unwahrscheinlich war, dass er um diese Stunde noch Besuch bekommen würde. Außerdem half es sowieso nichts. Früher oder später würde er eine Sondierung außerhalb der Isolationskammer wagen müssen, wenn er mehr über diesen Mann und das Porträt der Frau auf dem Kaminsims erfahren wollte.
David setzte sich auf sein Bett und lehnte sich mit dem Rücken gegen die kalte Wand. Er würde die Kühle brauchen, denn sobald er das Zeitungsfoto betreten hätte, würde seine Körpertemperatur in wenigen Minuten um bis zu zwei Grad ansteigen. Und diesmal war niemand da, der seine körperliche Verfassung überwachte.
Er betrachtete das Bild noch einmal und hoffte, dass dieser Kardinal Ciban nicht der Unmensch war, den seine Aura bei der ersten Sondierung vermuten ließ.
David atmete tief durch, entspannte sich, entleerte seinen Geist und konzentrierte sich einzig und allein auf das Foto. Kurz darauf spürte er dieses unbeschreibliche Gefühl, wenn die Welt verschwamm und sich verschob, wenn man in etwas eintauchte und von etwas durchdrungen wurde, wenn man gleichzeitig von einer Gegenwart in eine andere sprang. Dieses Gefühl erfüllte jede einzelne Zelle seines Körpers. Es fühlte sich an, als wäre er nahezu völlig losgelöst von seiner eigenen Realität.
David betrat eine andere Welt. Ein eisiger Wind fegte durch sein Bewusstsein. Da war kein Ton. Nicht ein einziger Laut. Stille.
Erwartungsvoll öffnete er die Augen, nur um absolute Dunkelheit zu sehen. Da war nichts als dieser eisige Wind, als diese eisige Kälte, die sich Schluck für Schluck in sein Bewusstsein fraß. David wich entsetzt zurück. Das hieß, er versuchte es. Seine Angst wuchs, wurde zur Panik. Dann erst begriff er: Es gab keinen Ausweg aus dem Nichts.
34.
Während Rinaldo darüber nachdachte, wie und wo er Schwester Catherine am besten unauffällig kontaktieren konnte, ging er noch einmal den gesamten Inhalt der schwarzen Ordner durch. Womöglich fand er hier sogar schon eine Verbindung zu dem geteilten Brief. Seit er von Coelho erfahren hatte, dass Ciban sich mitten in der Nacht mit Alan Scrimgeour getroffen hatte, vermutete er stark, dass
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