Engelspakt: Thriller (German Edition)
und der Erde« berichten. Da man das Buch über Jahre hinweg zu den Offenbarungen gezählt habe, habe man von seinen eigentümlichen Zwecken und Bestrebungen noch nicht allzu viel begriffen. Dabei stellte sich der Übersetzer und Verfasser der deutschen Ausgabe vor allem eine Frage: Warum wurden gerade diese Lehren und Erkenntnisse in diesem Buch behandelt und keine anderen?
Das war in der Tat ein interessanter Aspekt. Rinaldo spürte, wie er zunehmend Feuer fing. Wie viel mehr musste diese Triadenbibel offenbaren, wenn das Buch Henoch lediglich ein Ableger davon war und die Triaden tatsächlich noch irgendwo im Geheimen existierten. Vielleicht hatte Ciban recht: Am Ende hatte Scrimgeour tatsächlich die Bibel entdeckt und für seine Entdeckung sterben müssen.
Eine Website berichtete von einer anderen Geschichte um Kain, Abel und Henoch. Darin ging es um ein schreckliches Familiendrama, mit dem Henochs Schicksal eng verknüpft war. In dieser Version war Henoch ein Sohn des Kain, der wiederum der Bruder von Abel war, den er aus purem Neid ermordet hatte. Laut dem Alten Testament war Kain der Erst-, Abel der Zweitgeborene und Set der jüngste Sohn von Adam und Eva, der Abel ersetzen sollte und in direkter Linie ein Vorfahre Noahs war. Aber mit der Ermordung des Bruders nahm das Familiendrama noch kein Ende. Nachdem Kain Abel ermordet hatte, vergewaltigte er noch in derselben Nacht eine Frau. Damit begann der ewig schicksalhafte Kreislauf des Menschen, in dem Gutes von Bösem und Böses von Gutem kommen konnte.
Aus dem Missbrauch ging Henoch hervor. Henoch, der auch als erster Baumeister der Menschen bezeichnet wurde, beschäftigte sich fünfundsechzig Jahre lang mit dem Buch der Gerechten und dem Bau der Schöpfung und der Welt. Nach vielen Jahren des intensiven Studiums begriff er, dass das »Wort« (griechisch: logos) oder »Der wahre Name Gottes« (hebräisch: Jahwe) der Eckstein der realen und materiellen Welt war. Wer diesen Eckstein zu bewegen wusste, der war in der Lage, die Schöpfung zu zerstören.
Rinaldo hatte nicht nur über seine Geschichtsstudien, sondern auch innerhalb der Mauern des Vatikans erlebt, wozu ein Mensch fähig war, der mit dem »Wort« umzugehen verstand. Wer die Kunst der gesprochenen und geschriebenen Rede beherrschte, konnte in der Tat die Welt zerstören. Schon Luzifer hatte sich des Wortes bedient, als er die Engel zum Aufruhr gegen Gott verführte. Das Wort selbst war allerdings neutral. Erst der Mensch – oder der Engel –, der es aussprach, verlieh ihm ein gutes oder ein böses Vorzeichen. Menschen wie Gandhi oder Hitler offenbarten die zwei Seiten dieser Medaille sehr deutlich.
Während Rinaldo weiter im unermesslichen Universum des Internets recherchierte, fiel ihm ein Pseudonym auf, das immer wieder in zwei Henoch-Foren auftauchte. Der Teilnehmer schien einiges über das Buch Henoch und die Angelologie zu wissen. Bescheidenerweise nannte er sich Lazarus. Vermutlich in Anlehnung an Lazarus aus Bethanien, den Jesus nach dem Evangelium des Johannes von den Toten auferweckt hatte. Leider konnte Rinaldo keine Homepage von diesem Lazarus ausfindig machen, geschweige denn eine reale Anschrift oder eine funktionierende E-Mail-Adresse.
Obendrein drückte sich der Mann – oder die Frau – auch noch spielend in fünf europäischen Sprachen aus: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch. Die Kommentare zu den einzelnen Diskussionsfäden waren zwar in der Regel sehr knapp, allerdings trafen sie mit wenigen Worten stets den Kern.
Rinaldo notierte sich die URL s der Foren und das Pseudonym. Womöglich kam er ja doch noch hinter die Identität dieses Lazarus. Er selbst war zwar kein Computerhacker, doch Cibans Kontakte schlossen auch solche Spezialisten nicht aus. Zur Not würde er diesen Weg gehen. Lazarus konnte durchaus noch wichtig sein.
Nachdem Rinaldo über eine Stunde in dem Internetcafé verbracht hatte, packte er alle Unterlagen ein und machte sich auf den Rückweg zu seinem Büro.
Als er gerade am Vorzimmer von Cibans Büro vorbeilief, wo Bischof Tardini arbeitete, ging die Tür auf, und Kardinal Gasperetti trat mit hochrotem Kopf heraus. Der Kardinal schien alles andere als guter Dinge zu sein. Er rammte Rinaldo fast am Arm, ignorierte ihn geistesabwesend und eilte die Treppe hinunter. Rinaldo blickte Gasperetti verblüfft hinterher. Dann klopfte er an die Tür und betrat Tardinis Büro. Der alte Bischof saß so gelassen wie eh und je an seinem großen
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