Engelspakt: Thriller (German Edition)
Schreibtisch.
»Ist irgendetwas vorgefallen, Exzellenz?«
Tardini blickte von einer Akte auf, die er gerade erst aufgeschlagen hatte. »Nicht wirklich, Pater. Seine Eminenz hat bloß versucht, mir ein paar vermeintliche Geheimnisse zu entlocken. Dabei durfte er feststellen, dass ich meinen Eid als Sekretär und mein Gelübde als Priester sehr ernst nehme. Wie sieht es mit Ihrer Arbeit aus?«
»Nicht sehr gut, um ehrlich zu sein.«
»Dann haben Sie also noch nicht mit Schwester Catherine gesprochen?«
»Sie sagten ja, dass wir beide sehr wahrscheinlich überwacht werden. Da ich kein Risiko eingehen will, dachte ich, dass ich Schwester Catherine am besten bei ihrem nächsten Besuch in den Archiven abfange.«
»Und wann wird das sein?«
Rinaldo kam sich plötzlich vor wie ein Idiot. »Das weiß ich nicht.«
Tardini tat etwas, das er recht selten tat. Er aktivierte seinen Laptop und winkte den jungen Monsignore zu sich heran.
»Was haben Sie vor?«, fragte Rinaldo neugierig.
»Schwester Catherine arbeitet für Kardinal Ciban, ergo arbeitet sie auch für mich. Ich werde unserer lieben Schwester in Christo also eine E-Mail schicken, schließlich wartet hier eine Menge organisatorische Arbeit auf sie.«
Rinaldo starrte von dem alten Sekretär auf den Text, den dieser in Windeseile tippte. Während er las, wurden seine Augen immer größer. »Das wird Schwester Catherine aber ziemlich wütend machen, Exzellenz.«
Ein feines Lächeln huschte über Tardinis Mundwinkel. »Gewiss, gewiss. Und umso schneller wird sie hier sein!«
35.
Kurz nachdem Monsignore Rinaldo das Internetcafé in der Via Cavour verlassen hatte, betrat ein schlanker Mann mit Nickelbrille und einem weiten Ledermantel das Café. Er bestellte einen großen Cappuccino und ein Croissant, bezahlte mit einem Einhundert-Euro-Schein, wobei er unauffällig auf das Rückgeld verzichtete, und nahm von dem Angestellten einen kleinen Umschlag entgegen. Dann setzte er sich an den Computer, an dem der Pater eben noch recherchiert hatte.
Kublicki hatte den Palast der Inquisition schon den ganzen Tag von einem unauffälligen Observierungspunkt aus beobachtet. Sein Auftraggeber war einerseits an Bischof Tardini interessiert, Cibans Erstem Sekretär, andererseits an diesem tölpelhaften Pater, der glaubte, seine geheimen Recherchen seien in dem Internetcafé sicherer als im Vatikan. Wie es aussah, hatte Rinaldo die ganze Nacht im Inquisitionspalast verbracht und durchgearbeitet. Ein so großer Arbeitseifer konnte kein Zufall sein, daher hatte Kublicki seinen Auftraggeber kurzerhand informiert und entschieden, den alten Tardini erst einmal links liegen zu lassen und stattdessen Rinaldos Aktivitäten auf den Grund zu gehen.
Nachdem Kublicki in aller Gemütsruhe gegessen hatte und ein wenig ziellos in den Weiten des World Wide Web herumgesurft war, öffnete er gemächlich den Umschlag und zog einen Datenträger heraus. Er schob ihn in den dafür vorgesehenen Anschluss des Rechners und sah sich sämtliche Seiten an, die Rinaldo in der letzten Stunde angeklickt hatte. Vielleicht würden diese Informationen seinen Auftraggeber nach dem Desaster in der Kirche wieder ein wenig mit ihm versöhnen.
Die Tatsache, dass Pater Rinaldo in diesem Internetcafé recherchierte und nicht in seinem Büro oder an seinem privaten Rechner, den er zweifelsohne besaß, machte Kublicki natürlich noch hellhöriger. Sogleich beschloss er, einige Stichproben zu machen und sah sich einige der Suchbegriffe genauer an, die Rinaldo so gefesselt hatten, und gab einige der Internetadressen ein. Immerhin hatte der Pater sich über eine Stunde an diesem nicht gerade heimeligen Ort aufgehalten, um nach etwas ganz Konkretem zu suchen. Kublicki fragte sich, ob Rinaldo fündig geworden war.
Hauptsächlich hatte der Monsignore nach Henoch geforscht. Weitere Recherchen machten dem nichtreligiösen und keiner Religionsgemeinschaft angehörenden Kublicki klar, dass es sich dabei um eine so genannte Apokryphe handelte, einen Text, der aus religionspolitischen oder anderen Gründen nicht in die Bibel aufgenommen worden war.
Henoch … Engel … Satan …
Unfassbar, an was für einen abergläubischen Schwachsinn viele Menschen selbst heute noch glaubten.
Eine Sache jedoch hielt Kublickis Neugierde weiterhin am Brennen. Warum interessierte Pater Rinaldo sich ausgerechnet so sehr für die Posts eines gewissen Lazarus? Ob er diese ganze Engelssache am Ende vielleicht doch unterschätzte?
Er zog seine
Weitere Kostenlose Bücher