Engelsrache: Thriller
bloß angehalten, weil der, ohne zu blinken, links abgebogen sei. Ich wusste, dass TBI-Beamte normalerweise keine Verkehrskontrollen durchführen, und der Richter wusste das auch. Ich rief die Tochter und ihren Freund in den Zeugenstand und ließ außerdem Shanes Exfrau vorladen. Sie hatte Angst, wegen einer Falschaussage belangt zu werden, deshalb gab sie die Affäre mit Landers zu, gestand, dass sie ihn gebeten hatte, ihren Ex zu verhaften, beschwor allerdings, dass sie nicht mal im Traum daran gedacht hätte, dass Landers dies auch wirklich tun würde.
Der Richter war so empört darüber, dass Landers im Gerichtssaal eine Falschaussage gemacht hatte, dass er die Klage abwies und Landers’ TBI-Vorgesetztem einen geharnischten Brief schrieb. Doch dann geschah nichts weiter. Das war das erste Mal, dass ich miterlebte, wie ein Polizist einem Gericht eine dreiste Lüge auftischte. Seither hatte ich in jedem Verfahren, das mich von Berufs wegen mit Landers in Kontakt brachte, stets jedes einzelne Detail auseinandergepflückt. Ich traute dem Burschen nicht über den Weg, und es machte mir auch nichts aus, ihm das deutlich zu zeigen.
Wir hatten uns für 15:15 Uhr verabredet, aber da ich wusste, dass Landers sich ein Vergnügen daraus machen würde, mich warten zu lassen, erschien ich erst um 15:30 Uhr. Er war immer noch nicht da, also setzte ich mich an den Tisch und kochte innerlich. Ich wollte schon gehen, als er schließlich in seinem teuren grauen Anzug und mit einer Schachtel unter dem Arm zur Tür hereinkam. Landers war um die vierzig und ein paar Zentimeter kleiner als ich. Er war gut gebaut, hatte blaue Augen und kurzes braunes Haar. Ein gut aussehender Mann – wovon er selbst gewiss am meisten überzeugt war –, aber er hatte dunkle Schatten unter den Augen und roch nach Alkohol, eine Ausdünstung, die sich auch durch eine Dusche nicht beseitigen lässt, das heißt, er stank aus allen Poren.
»Sie sind eine halbe Stunde zu spät dran«, sagte ich, während ich mich erhob.
»Ja«, erwiderte er mit einem blasierten Lächeln.
Dann begann er, alle möglichen Sachen aus seiner Schachtel zu kramen, zuletzt ein Foto, auf dem Angel zu sehen war. Sie saß an einem Tisch, blickte in die Kamera und hatte oben auf der linken Wange einen Bluterguss. Das Foto war zwei Tage nach Testers Ermordung entstanden. Angel hatte mir gegenüber nicht erwähnt, dass die Polizei ein Foto von ihr gemacht hatte, und das Foto war auch nicht in dem ersten Päckchen Beweismaterial enthalten gewesen, das die Staatsanwaltschaft mir gezeigt hatte. Sobald ich es erblickte, war mit klar, dass ich den Antrag stellen musste, der Gegenseite die Verwendung des Fotos vor Gericht zu untersagen. Falls die Staatsanwaltschaft keine konkreten Anhaltspunkte dafür hatte, wie Angel zu dem Bluterguss gekommen war, konnte das Foto eine Jury negativ beeinflussen.
»Wie man hört, geht Bill Wright demnächst in Pension«, sagte ich, um die Situation etwas zu entspannen. »Und wer wird sein Nachfolger?«
»So einen Anspruch gibt es nicht«, sagte Landers. »Der Job geht an den, den die Anzüge für geeignet halten.«
»Und wer könnte das Ihrer Meinung nach sein?«
»Wieso interessiert Sie das eigentlich?« Er sah mich an wie eine Fliege auf seiner Hand, ein belangloses kleines Ärgernis.
»Eigentlich wollte ich nur ein bisschen mit Ihnen plaudern. Bringt doch nichts, wenn wir uns immer wieder an die Gurgel gehen.«
Er legte den Kopf ein wenig zurück, wie wenn er meine Witterung aufnehmen wollte. Dann verzog er die Nase, als ob ihn mein Geruch anwiderte.
»Schade, dass ich Sie da enttäuschen muss«, sagte er, »aber ich glaube nicht, dass wir zwei jemals Freunde werden. Ich mag Anwälte nicht, am allerwenigsten Strafverteidiger, die alles tun, um Kriminelle mit miesen Verfahrenstricks herauszuhauen.«
»Sie missverstehen meine Rolle«, sagte ich. »Ich versuche nur, dafür zu sorgen, dass ihr Jungs euch an eure Regeln haltet. Wenn Sie sich in der Situation meiner Mandanten befänden, dann würden Sie sich doch auch wünschen, dass alle Beteiligten sich an die Spielregeln halten – oder etwa nicht?«
»Ja, kann schon sein. Schließlich ist jeder sich selbst der Nächste. Wollen Sie sich das Zeug hier nun anschauen, oder haben Sie mich nur zum Quatschen herbestellt? Weil ich dazu heute nämlich, um ehrlich zu sein, überhaupt nicht aufgelegt bin.«
Ich legte die geöffneten Arme auf den Tisch, zog die Beweismittel zu mir herüber und fing an, sie
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