Engelsrache: Thriller
sagte Deacon. »Außerdem kann der Zeuge die Barlowe gar nicht genau gesehen haben. Es war doch stockdunkel.«
»Sie haben ja nicht gehört, wie detailliert er die Frau beschrieben hat. Jedenfalls trifft seine Beschreibung genau auf die Barlowe zu.«
»Und? Was erwarten Sie jetzt von mir, Phil? Soll ich mich vielleicht hinstellen und erklären, dass wir zu unserem Bedauern ein unschuldiges junges Mädchen wegen des Mordes an Tester eingesperrt haben? Und wie soll ich das sagen? Hm. Dumm gelaufen, sehr bedauerlich. Und das sechs Wochen vor den Wahlen? Sind Sie nicht ganz bei Trost?«
»Dann verlangen Sie also von mir, dass ich diesen wichtigen Zeugen glattweg ignoriere?«
»Ich verlange nur von Ihnen, dass Sie diesem wenig glaubwürdigen Zeugen nicht so viel Bedeutung beimessen, einem Zeugen, der uns lediglich Schwierigkeiten macht und Dillard vor Gericht genau die richtigen Argumente liefert. Was mich angeht, haben wir ohnehin die richtige Person verhaftet. Wir haben ihre DNS an der Leiche nachgewiesen, außerdem hat das Mädchen den ganzen Abend mit dem späteren Opfer zu tun gehabt. Und dann haben wir noch eine Zeugin, die behauptet, dass die Tatverdächtige den Club gleichzeitig mit dem Prediger verlassen hat. Und dazu kommt noch, dass die Verdächtige sich weigert, überhaupt mit uns zu sprechen. Aber selbst wenn wir das Mädchen nun freilassen und die Barlowe verhaften – was ist dann? Wir können der alten Schlampe den Mord doch genauso wenig nachweisen.«
»Die Frau hat mich von Anfang an belogen. Komisch, aber ich muss immer wieder an das Auto denken. Watterson behauptet, er hat auf der Brücke eine rote Corvette gesehen.«
»Dann suchen Sie die verdammte Kiste! Im Übrigen wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie nicht ständig gegen mich arbeiten würden!«
Damit hängte Deacon ein. Landers knüllte seine Notizen zusammen und warf sie in den Papierkorb.
23. Juni
15:30 Uhr
Am Montag rief ich Phil Landers im Büro an, um mit ihm zu besprechen, wann ich dort vorbeikommen konnte, um die Beweismittel in Augenschein zu nehmen, die die Staatsanwaltschaft vor Gericht gegen Angel Christian vorzulegen gedachte. Das war mein Recht als Strafverteidiger, und es war mir stets sehr wichtig, dieses Recht auch in Anspruch zu nehmen. Allerdings lag mir das vereinbarte Treffen so schwer im Magen wie ein Termin beim Zahnarzt wegen einer Wurzelbehandlung.
Die Abneigung zwischen Landers und mir reichte weit über zehn Jahre zurück, also bereits in die Zeit, als ich in Washington County gerade als Strafverteidiger angefangen hatte. Landers hatte damals mit einer Frau geschlafen, die eine schmerzliche Scheidung hinter sich hatte. Deshalb hatte die Frau Landers erzählt, dass ihr Exmann ein kleiner Marihuana-Dealer sei, und ihn gebeten, den Knaben ihr zuliebe hochgehen zu lassen. Sie beschrieb Landers genau das Automodell, das ihr Exmann fuhr, und sagte ihm auch, in welcher Bar er ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit antreffen werde. Landers müsse nur ein wenig auf dem Parkplatz vor der Bar auf ihren Mann warten, dann könne er ihn ohne Weiteres wegen Fahrens unter Drogeneinfluss verhaften und würde bei ihm außerdem noch eine größere Menge Marihuana finden.
Also tat Landers, worum sie ihn gebeten hatte. Er wartete auf dem Parkplatz, bis der Ex nach draußen kam, und als der Typ ihm keinen legitimen Grund dafür bot, ihn anzuhalten, konstruierte er einen. Er nahm den Mann wegen Fahrens unter Drogeneinwirkung fest, durchsuchte das Auto und fand dreißig Gramm Marihuana. Der Exgatte, ein Mann namens Shane Boyd, engagierte mich als Anwalt. Er hatte keine Ahnung, dass er Opfer eines Komplotts geworden war, bis seine Exfrau die gemeinsame halbwüchsige Tochter zusammenstauchte, weil das Mädchen an einem Samstagabend – zwei Wochen nach Shanes Verhaftung – abends zu spät nach Hause gekommen war. Das Mädchen war stinksauer und rief deshalb Shane an und erzählte ihm, dass sie und ihr Freund gehört hatten, wie ihre Mutter und Landers das Komplott ausgeheckt hatten. Kurz darauf kamen die beiden Jugendlichen in meine Kanzlei und unterzeichneten dort eidesstattliche Erklärungen. Ich stellte den Antrag, sämtliche Beweismittel zu unterdrücken, und begründete dies damit, dass Landers keinen legitimen Grund dafür gehabt hatte, den Wagen anzuhalten.
Während der Verhandlung trat Landers in den Zeugenstand und log. Er leugnete, dass er Shane Boyds Exfrau überhaupt kannte. Angeblich hatte er das Fahrzeug meines Mandanten
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