Engelsstern
und sich von mir entfernte.
KAPITEL 5
Ich machte die Tür zu und schwebte durch den Flur in die Küche. Normales Leben war nicht mehr möglich. Ich spürte immer noch seinen Finger über meine Unterlippe streichen, seine warme Hand an meinem Kinn. Ich hatte noch den Räucherstäbchengeruch aus seinem Hemd, seinen Haaren, seiner Haut in der Nase, und das Blut puckerte in meinen Lippen nach dem federleichten Kuss, den er mir gegeben hatte, Versprechen und Zweifel zugleich, ein Kuss, der nicht ganz ein Kuss war.
Ich sollte wirklich mal an was anderes denken. Mir ging auf, warum ich mich mit ihm so wohlfühlte. Ich fühlte mich sicher. Als ob mich eine Schutzblase umgeben würde, wenn er in meiner Nähe war.
Ein Blick aufs Telefon erinnerte mich wieder an den anstehenden Anruf bei Claire. Ob sie mitbekommen hatte, dass ich mit Garreth losgezogen war? Der Anrufbeantworter blinkte nicht. Das Lämpchen leuchtete nur. Das war eine Überraschung. Dann kam mir der Streit in den Sinn, den ich aus Garreths Wagen heraus mitbekommen hatte. Claire tat mir leid. Zwar wurde sie viel besser mitunangenehmen Situationen fertig als ich, wie man gestern bei Brynn gesehen hatte. Aber das hier war was anderes. Sie war noch nicht sehr lange mit Ryan zusammen, es war noch zu früh für Streitigkeiten. Fand ich jedenfalls.
Ich griff zum Telefon und wählte Claires Nummer. Es klingelte mehrmals, dann ging sie ran.
»Hey!«, sagte ich aufgeregt. »Du ahnst nicht, was ich heute gemacht habe. Los, dreimal darfst du raten, Madame Woo.«
»Ist dir klar, wie lange ich auf dich gewartet habe?« Ihre Stimme klang monoton.
»Ähm, ja. Entschuldige. Garreth hat mich nach Hause gebracht.«
»Das weiß ich, Teagan. Das wissen alle.«
»Und, freust du dich nicht für mich? Willst du nicht alles haargenau wissen?«
»Ja, ich freu mich, Tea. Aber wie ich dich kenne, gibt es noch nicht viel zu wissen.«
Gut, das war ein Dolchstoß, aber irgendwie traf er mich nicht. Ich schwebte immer noch, auch wenn die Unterhaltung nicht gerade vor »Und, was war?«-Erwartung triefte. Widerwillig wechselte ich zum Parkplatzstreitthema.
»Claire, ist alles in Ordnung zwischen dir und Ryan?«
Sie seufzte ins Telefon.
»Du kannst es mir sagen.«
»Nein. Kann ich nicht.«
Ich wickelte die Schnur um meinen Arm. Nach all den Telefonaten mit Claire über die Jahre war sie völlig ausgeleiert.
»Es ist Freitag. Warum kommst du nicht rüber und übernachtest hier? Dann geht’s dir besser. Wir essen Schokolade und planen genial fiese Rachefeldzüge gegen Brynn für all die Leidensjahre. Dann kann mir Madame Woo noch die Zukunft vorhersagen und mir einen Algenwickel anlegen.«
Ein Kichern ertönte. Endlich brach das Eis. »Geht nicht.«
Wenigstens klang das halbherzig. Damit konnte ich leben, auch wenn mir eine andere Antwort lieber gewesen wäre.
»Ich bin heute Abend mit Ryan verabredet.«
»Oh. Also ist bei euch alles okay?«
»Ja, wird sich einrenken.«
Ich verabschiedete mich, ohne zu verstehen, was mit Claire wirklich los war. Und war etwas eingeschnappt, weil sie mich überhaupt nicht nach meinem Nachmittag mit Garreth gefragt hatte. Den würde ich in meinen Träumen fortsetzen.
Die erste Pflicht erfüllt, machte ich mich an die zweite. Ich stellte einen großen Topf Wasser auf den Herd, raste durch die Küche und holte Nudeln und Basilikum aus der Speisekammer. Dann goss ich Tomatenmark in einen anderen Topf und gab Wasser und ein Lorbeerblatt dazu. Als die Sauce langsam zu blubbern begann, schnitt ich noch Brot auf und verfluchte mich bei einem Blick auf die Küchenuhr dafür, so lange mit Garreth im Park geblieben zu sein.
Ich legte gerade die Servietten auf den Tisch, da hörteich meine Mutter durch die Tür und mit schweren Schritten über die Dielen im Flur kommen. Auch ohne sie zu sehen, war klar, dass sie müde war, und ich war im Grunde erleichtert, dass Claire meine Einladung nicht angenommen hatte.
»Hallo, Schatz. Hmm, das riecht gut.« Meine Mutter zog die Schuhe aus und ließ sich auf ihren Stuhl an dem kleinen Küchentisch fallen. Sie sah kaputt aus. Meine lebenslustige Mutter, mein Fels in der Brandung, schien um Jahre gealtert, seit ich heute Morgen zur Schule aufgebrochen war.
»Ist alles in Ordnung, Mom?« Ich konzentrierte mich auf das dampfende Sieb, das ich gerade über den Abguss hielt. »Du klingst völlig fertig.«
»Ist ein langer Tag gewesen, Schatz. Wie war dein Nachmittag?«
Ich erzitterte unwillkürlich. Ich hatte
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