Engelsstimme
um sie rauszuwerfen, weil der Weihnachtsmann ermordet wurde. Wenn das nicht passiert wäre, wäre es ganz in Ordnung gewesen, ein Mädchen auf dem Zimmer zu haben. Gestattet ihr, dass Mädchen auf die Zimmer gehen? Wenn alles in normalen Bahnen verläuft.«
Der Mann schaute Erlendur an.
»Was meinst du mit Mädchen?«
»Nutten«, sagte Erlendur. »Dürfen sich normalerweise Nutten hier im Hotel aufhalten und auf die Zimmer gehen, während ihr an der Rezeption ein Auge zudrückt, bloß jetzt nicht, wegen dem, was passiert ist? Was hat der Weihnachtsmann damit zu tun? Hatte er etwas damit zu tun?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, sagte der Mann von der Rezeption.
Erlendur wechselte die Methode.
»Ich kann verstehen, dass ihr vorsichtig seid, wenn hier im Hotel ein Mord passiert ist. Ihr wollt nicht die Aufmerksamkeit auf etwas Ungewöhnliches, etwas, was aus dem Rahmen fällt, lenken, auch wenn das an und für sich keine große Sache ist und nichts dagegen einzuwenden wäre. Die Leute können von mir aus machen, was sie wollen, und dafür bezahlen. Prostitution ist in Island legal, solange man nicht seinen Lebensunterhalt davon bestreitet. Was ich aber herausfinden möchte, ist, ob der Weihnachtsmann in irgendeiner Form etwas mit Prostitution zu tun gehabt hat.«
»Ich weiß nichts über Prostitution«, erklärte der Mann. »Wie du gesehen hast, kriegen wir das mit, wenn Mädchen hier allein durch die Gänge spazieren. War das im Ernst deine Tochter?«
»Ja.«
»Sie hat mir gesagt, ich soll sie am Arsch lecken.«
»Passt genau.«
Erlendur schloss die Tür hinter sich, legte sich ins Bett und schlief bald ein. Er träumte, dass die Himmel ihren Staub auf ihn herunterrieseln ließen, und er hörte das Klirren von Fahnen.
Zweiter Tag
Fünf
Der Empfangschef war nicht zur Arbeit erschienen, als Erlendur am nächsten Morgen in die Lobby kam und nach ihm fragte. Keiner wusste, warum, er hatte nicht angerufen und sich krank gemeldet oder gesagt, dass er sich freinehmen würde, um irgendetwas zu erledigen. Eine Frau Mitte dreißig sagte Erlendur, dass es in der Tat ziemlich merkwürdig sei, dass der Empfangschef nicht zur festgesetzten Zeit bei der Arbeit erschienen war, denn der Mann sei immer superpünktlich. Und ganz unbegreiflich, dass er nicht angerufen hatte, falls er sich freinehmen wollte.
Sie berichtete Erlendur alles sehr freimütig, immer wieder unterbrochen von einer Mitarbeiterin des Krankenhauslabors, die ihr die Speichelprobe entnahm. Insgesamt drei Laborantinnen waren damit beschäftigt, die genetischen Fingerabdrücke des Hotelpersonals zu erfassen. Einige andere gingen zu den Privatadressen derer, die frei hatten. Bald würden die Speichelproben aller derzeitigen Hotelangestellten vorliegen, um mit dem Speichel am Kondom des Weihnachtsmanns verglichen zu werden.
Kriminalpolizisten vernahmen die Angestellten, um festzustellen, inwieweit sie mit Guðlaugur bekannt gewesen waren, und wo jeder Einzelne sich gestern am späten Nachmittag aufgehalten hatte. Die gesamte Mordkommission beteiligte sich an jenem Stadium der Ermittlung, das in der Hauptsache noch aus Sammeln von Informationen und Beweismaterial bestand.
»Was ist mit denen, die bis vor kurzem hier gearbeitet haben oder schon vor einiger Zeit hier aufgehört haben, die kannten den Weihnachtsmann doch auch?«, fragte Sigurður Óli. Er setzte sich zu Erlendur in den Speisesaal und sah zu, wie der sich genüsslich Hering und dunkles Roggenbrot, gekochten Schinken, Toastbrot und dampfenden Kaffee einverleibte.
»Wir sehen erst mal, was jetzt beim ersten Anlauf herauskommt«, erwiderte Erlendur und schlürfte den heißen Kaffee. »Hast du etwas über diesen Guðlaugur herausgefunden?«
»Nicht viel. Über ihn scheint es nicht viel zu sagen zu geben. Er war achtundvierzig Jahre alt, unverheiratet und kinderlos. Hat über zwanzig Jahre hier im Hotel gearbeitet. Es sieht so aus, als hätte er die ganzen Jahre da unten in dem Kellerloch gewohnt. Seinerzeit sollte das wohl nur eine Übergangslösung sein, so sagt jedenfalls der fette Hotelmanager, aber er behauptet, auch nicht viel mehr darüber zu wissen. Er hat mir geraten, mit seinem Vorgänger zu sprechen, der hat nämlich seinerzeit den Deal mit Guðlaugur gemacht. Fettkloß war der Meinung, dass Guðlaugur damals die Wohnung gekündigt worden war und er die Erlaubnis erhielt, sein Zeugs hier im Keller aufzubewahren. Und das hat dann einfach dazu geführt, dass er dort hängen
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