Engelstanz: Dunkle Verlockung Teil 3 (German Edition)
anderen Mannes. »Siehst du dich selbst so?«
Gefühle schnürten ihr die Kehle zu, zerrissen ihr die Brust und ließen ihre Stimme heiser klingen. »Ich treffe die richtige Entscheidung; das musst du verstehen. Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich mich ihm öffne und zurückgewiesen würde.« Nicht bei diesem Barbar, der sie wahnsinnig machte, sie zur Weißglut trieb und einfach so großartig war, der sie ansah, als wäre sie wunderschön. Denn er weckte Träume in ihr, die sie tief begraben hatte, damit sie überleben und zufrieden sein konnte, anstatt zu einer verbitterten, von Neid zerfressenen Kreatur zu werden.
Mit liebevoller Miene sah Keir sie an. »Wir alle lernen, mit einem gebrochenen Herzen zu leben.« Er ließ ihre Hand los, um aufzustehen und sich hinter ihren Stuhl zu stellen. Dann beugte er sich vor, nahm sie in die Arme und schmiegte seine Wange in ihr Haar. »Dein Nachteil ist, dass du dem nicht in jungen Jahren ausgesetzt warst, als du noch widerstandsfähiger warst. Jetzt, liebe Jessamy, glaube ich, hast du Angst.«
Sie schluckte den Knoten in ihrer Kehle herunter, als sie die Hand auf seine geschmeidigen Armmuskeln legte. »Wie sollte ich denn keine Angst haben? Mein Leben ist anders verlaufen als das der anderen, die einfach nach Lust und Laune den Himmel berühren konnten.« Sie hatte lernen müssen, mit dieser Trostlosigkeit zu leben, mit einem schmerzhaften Verlust, den kein anderer Engel nachempfinden konnte; und diese Zeit hatte sie innerlich mürbe gemacht. »Habe ich meinen Frieden denn nicht verdient?«
Keirs Lippen streiften ihren Hals, und sein Duft streichelte schwach über ihre Sinne. »Du hast niemals Frieden gewollt, meine Liebe. Die Frage ist nur: Bist du stark genug, um das, was du willst, zu ergreifen, auch wenn auf das Glück furchtbarer Kummer folgen könnte?«
Während seine letzten Worte noch in der Luft hingen, ging die Tür auf und davor stand nicht etwa Jason, sondern Galen, dessen meergrüne Augen vor Wut glühten. »Du kannst jetzt wieder an der Schule unterrichten«, sagte er. »Illium und Jason werden dabei sein, um deine Sicherheit und die deiner Schüler zu gewährleisten.« Nach dieser knappen Bekanntmachung war er auch schon wieder verschwunden.
Ihre Hand schloss sich fester um Keirs Arm. »Er denkt, wir sind zusammen.« Nur zu leicht hätte sie ihn in dem Glauben lassen können, sie sei eine Lügnerin und zudem eine Frau, die ihren Geliebten mit einem glutheißen Kuss und Hunderten verstohlener Blicke betrogen hatte.
Ihr Magen zog sich zusammen und ihre Eingeweide gerieten in Aufruhr. »Lass mich aufstehen, Keir.« Als ihr Freund sie losließ, stand sie auf und schüttelte ihre Röcke aus. »Die Angst liegt mir wie Blei auf der Zunge – ich kenne ihn erst seit so kurzer Zeit, und doch bin ich sicher: Sollte ich mich auf sein Werben einlassen, wird es einen Teil von mir zerstören, wenn er geht.«
Keir streckte die Hand aus, um ihr eine Haarsträhne hinters Ohr zu streichen. »Wir alle tragen etwas Zerbrochenes in uns.« Ruhig. Kraftvoll. »Niemand geht mit einem unversehrten Herzen durchs Leben.« In seinen Augen lag eine so tiefgründige Weisheit, wie sie ein Mann, der nur dreihundert Jahre älter war als sie, eigentlich nicht besitzen konnte. Es war eine Weisheit, die in ihre Seele blickte und das Salz ihrer Einsamkeit schmeckte.
Doch eines sahen Keirs Augen nicht, dachte sie, als sie die Bibliothek verließ und Jason sie als lautloser Schatten begleitete, dass ihr Herz nämlich nicht unversehrt war. Es war vor langer, langer Zeit gebrochen worden – als sie zum ersten Mal zum Himmel aufgesehen und erkannt hatte, dass er für alle Zeit außerhalb ihrer Reichweite lag. Der Mut, den es sie kostete, noch einmal nach den Sternen zu greifen, war ein enges, raues Gefühl in ihrer Brust, an den Rändern schartig von den Scherben Tausender zerplatzter Träume.
Mit einer rasenden Folge von Fußtritten und harten Schwerthieben brachte Galen beide Vampire zu Boden. »Ihr habt den gleichen Fehler zweimal gemacht«, sagte er, sobald sie nach dem scharfen Schlag mit der Klinge wieder klar sehen konnten. »Ich habe euch gewarnt.« Zweite Warnungen gab es in seiner Welt nicht.
Die beiden kamen mühsam auf die Füße und nickten. Einer wischte sich Blut aus dem Mundwinkel. Doch keiner erhob Einwände, als Galen sie aufforderte, die Übung noch einmal durchzugehen. Diesmal waren sie so sehr damit beschäftigt, ihren ersten Fehler nicht zu wiederholen, dass sie
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