Engelstanz: Dunkle Verlockung Teil 3 (German Edition)
haben, den Kader zu informieren, sobald niemand mehr seinen Aufenthaltsort aufspüren kann.«
Ein Teil der Übelkeit in Jessamys Magengegend beruhigte sich, denn genau das konnte sie sich bei Alexander vorstellen. An schlafenden Engeln durfte man nicht rühren, das war eines der grundlegendsten Gesetze. Trotzdem würde kein Erzengel sich für seinen Schlaf einen Ort aussuchen, an dem ihn seine Feinde in diesem angreifbaren Zustand finden konnten.
»Rohan«, sagte Raphael und breitete seine Flügel aus, »ist stark, vielleicht so stark, dass er glaubt, selbst herrschen zu können, auch wenn Alexander andere Anweisungen hinterlassen hat.« Sein Zorn zeigte sich im Glühen seiner Flügel, einem eisigen Brennen, das nichts Gutes verhieß. »Sollte er tatsächlich dumm genug gewesen sein, das zu tun, wird sein Hochmut zur Folge haben, dass Alexanders Volk abgeschlachtet wird.«
Jessamy dachte an die Zeiten in der Geschichte zurück, als die Engel noch nicht erfasst hatten, welches Ausmaß an Blutdurst in den Verwandelten entstehen konnte. Den Preis dafür hatten Tausende Sterbliche mit ihrem Leben bezahlt.
»Der Kader muss informiert werden.« Kühle Worte. »Ich werde in die Zufluchtsstätte zurückkehren und Illium zu Titus und Charisemnon schicken.«
»Wünschst du, dass ich zu Neha und Lijuan fliege?«, fragte Galen. Er sprach von den beiden anderen Erzengeln in der Nähe von Alexanders Herrschaftsgebiet.
Raphael schüttelte den Kopf. »Nein, Lijuan wird es als Beleidigung auffassen, wenn ich sie nicht persönlich informiere. Ich möchte, dass du zu meinem Territorium weiterfliegst. Wenn wir uns irren, wenn Alexander doch am Leben und wach ist und eine Strategie entwickelt, müssen wir auf seinen Angriff vorbereitet sein.« Als sein Blick auf Jessamy fiel, ließ die Unbarmherzigkeit darin ihr das Blut in den Adern gefrieren, obwohl sie wusste, dass sie nicht ihr galt. »Du bist bei Galen sicherer als in der Zufluchtsstätte.«
»Ich werde ihn aufhalten. Ohne mich ist er schneller.« Sie dachte pragmatisch, denn in einer so ernsten Situation würde ihr Kummer sie nicht weiterbringen. Und Galen … Galen hatte versprochen, sie an jeden Ort ihrer Wünsche zu fliegen, also würde sie wieder die Gelegenheit bekommen, die Wolken zu berühren. »Ich kann hierbleiben. Diesen Ort kann kein Vampir erreichen.«
»Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hat der Vampir, der dich angegriffen hat, für Rohan gearbeitet. Und Alexanders Sohn hat auch Engel unter seinem Kommando.« Galens Flügel strich über ihren, eine schwere, intime Berührung. »Wir dürfen dich nicht in Gefahr bringen.«
»Er hat recht«, sagte Raphael. »Du bist zu wichtig für die Zufluchtsstätte.« Dann nickte er Galen zu. »Flieg so schnell du kannst. Dmitri hat die Situation unter Kontrolle, aber das Bild, das wir uns ausgemalt haben, gefällt mir nicht. Wenn Rohan Wind davon bekommt, dass der Kader über Alexanders Verschwinden Bescheid weiß, könnte er seine Schritte aus Panik beschleunigen.« Eine Pause, die tausend Dinge sagte. »Du hast mein Vertrauen, Galen.«
»Sire.« Ein einziges Wort, das Galens Loyalitäten kristallklar machte.
Galen hatte Jessamy ein Geschenk machen wollen, aber dieser Flug war ein harter, anstrengender Marsch über den Himmel. Als die Nacht sie in samtene Dunkelheit hüllte und die Sterne über ihnen glitzerten, wusste er, dass sie von Herzen gern gelandet wäre, um all das vom Erdboden aus bestaunen zu können. »Wenn diese Sache erledigt ist«, flüsterte er in ihr Haar, »werden wir den Flug noch einmal wiederholen.«
Zur Antwort gab sie ihm einen Kuss aufs Kinn, ihr Zopf strich über seinen Unterarm. »Du bist wunderbar, Galen.«
All seine Schwüre, dass er mehr von ihr wollte als nur eine Dankbarkeit, die ihn langsam, Tropfen für Tropfen zerstören würde, drohten von diesen Worten aufgehoben zu werden. »Das ist gestattet«, sagte er, anstatt den Finger in die Wunde zu legen, die sie ihm unwissentlich zugefügt hatte.
Während sie weiterflogen, rankte sich Jessamys Lachen um ihn. Sie segelten über Gebirgsketten, die unter dem Gewicht des ewigen Schnees ächzten, über Flüsse, in denen donnernd das Wasser floss. Über winzige Dörfer, die sich in die Felsen duckten, und über verstreute Siedlungen in weitläufigem Grasland. Über die wilde Schönheit des tosenden Meeres, mit einem Zwischenstopp auf einer der wenigen, winzigen Inseln im endlosen Blau und an den weißen Sandstränden einer unberührten
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