Engelstation
Präparate kaufen, wie zuvor, wollte jedoch nicht, daß sie nach Bezel geliefert wurden. Die Runaway hatte den hiesigen Markt überschwemmt. Die Bezel-Station war zu groß, zu belebt, und es waren bereits zu viele Gerüchte im Umlauf. Die Portfire A.G. wollte die nächste Ladung an der Grenze geliefert bekommen, bei Angelica.
»In Ordnung«, sagte Ubu. »Ist aber ganz schön weit ab vom Schuß für uns.« Hin und wieder mal eine kleine Lüge, dachte er, das tut nicht weh. Er würde nichts dagegen haben, der Angelica-Station wieder einen Besuch abzustatten, das wußte er. Ein paar Shooter-Muskelmänner anzuheuern, ins Monte Carlo zu gehen, Jamison von der Arbeit nach Hause zu folgen und zu sehen, ob es möglich war, ihren leuchtend rot geschminkten Mund ein bißchen aus der Form zu bringen.
Sie verabredeten sich zu einem weiteren langen Lunch im Klub; anschließend sollte der nächste Vertrag unterzeichnet werden. Er hatte noch vier Stunden Zeit bis zum Klub, aber er wollte nicht in die Hafenstadt und dort ein Faß aufmachen, wenn er nach ein paar Stunden doch wieder wegmußte. Außerdem traute er Mahadaji auch nicht ganz, und er wollte bei einem wichtigen Termin nicht betrunken oder high auftauchen. In dieser Hinsicht würde ihm Mahadaji mit seinen endlosen Runden von Drinks und seiner Wasserpfeife beim Lunch schon genug zu schaffen machen.
Bald würde er wieder auf dem Weg zu Maria der Schönen sein. Er dachte an die Geliebte, und ihr Getrommel erklang in seinem Inneren. Er kletterte nach oben, ging gegen die Drehrichtung zum Salon und überlegte, ob er sich einen Illustreifen ansehen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Geschichten von der Erforschung der Galaxis und der Entdeckung von Aliens kamen ihm im Vergleich zur Wirklichkeit blaß vor, und es war noch zu früh am Tag für die anderen Illustreifen aus der Kategorie Sex, Krieg und Gewalt.
Die Rhythmen der Geliebten wummerten in seinem Herzen. Er öffnete den Musikschrank und rollte den Sizer heraus, programmierte ihn auf einen der komplexeren Rhythmen der Geliebten und ließ den Sound von den grünen Metallwänden widerhallen.
Das Muster war komplex und zwingend, aber Ubu verlor vollständig das Interesse daran, als er merkte, daß es sich nur immerzu wiederholen würde. Trotzdem, dachte er, dies konnte der Anfang von etwas Befriedigenderem sein.
Ubu begann auf dem Doppelkeyboard zu spielen. Er versuchte nicht, eine Melodie über das Rhythmusmuster zu legen, sondern eine Kombination aus Klang und Struktur zu finden, die in ihm die Erinnerung an die Beschaffenheit des Schiffs der Geliebten wachrufen würde, an den dunklen, walnußförmigen Rumpf, die ovalen Korridore, die sich wie zerfressene Adern durch ihren Leib gruben, das geisterhafte blaue Licht, durch das ihre unheimlichen Geschöpfe in der schwerelosen Luft tanzten …
Er brachte einen atonalen Akkord hervor, bei dem ihm der Geruch der Geliebten scharf in die Nase stieg – die dicke, feuchte Luft voller langkettiger organischer Verbindungen –, aber ansonsten führten seine Bemühungen zu nichts. Ärger flackerte in ihm auf. Ohne die Einstellungen zu verändern, was viel Zeit kosten würde, konnte er die Töne auf dem Keyboard einfach nicht richtig verschleifen. Sein altes Problem. Er holte sich die Gitarre mit dem Q-förmigen Korpus und die Audoline aus dem Schrank und nahm die Gitarre in die unteren, die Audoline in die oberen Arme. Die Trommelschläge der Geliebten dröhnten weiter. Mit der rechten Hand führte Ubu den Bogen über die Metallsaiten der Audoline.
Eine Abfolge von Blautönen erklang in Ubus Kopf. Seine linke Hand betätigte die Regler, mit denen man den Steg verstellen, den Klang und das Timbre verändern konnte. Der azurblaue Regenbogen verengte sich, konzentrierte sich auf das blauweiße Licht, das von den Leuchtstofflampen der Geliebten erzeugt wurde.
Ubu fand andere Klänge, andere Entsprechungen. Das Schiff der Geliebten erstand in seinem Innern. Vielleicht einer von fünfhundert Millionen Menschen teilte seine spezielle Art von Synästhesie und würde in den Akkorden das gleiche Spektrum von Entsprechungen finden, aber das war Ubu ganz egal. Die Farben schienen im Feuer ihrer eigenen inneren Wahrheit zu brennen.
Er begann mit den Elementen zu arbeiten, sie zu einer bestimmten Form zusammenzufügen. Das Ergebnis war viel zu scharf und rauh, als daß man es als Melodie bezeichnen konnte, aber es hatte Struktur und Form und besaß dank des soliden Grundrhythmus der
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