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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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gestört; jetzt besaß sie nur noch die Hälfte ihres Gewinns, um damit zu spielen. Sie setzte die Hälfte ihrer Chips auf MANQUE und beschloß, erst einmal auf Nummer sicher zu gehen.
    Rot und Gold liefen über den Tisch. Der Schweiß blendete sie, aber das machte nichts. Es kam Maria so vor, als ob sie unter den Tisch schauen und verborgene Venen und Arterien sehen könnte, in denen Elektronen flössen. Sie drückte erst eine und dann noch eine andere Taste, weil es sich richtig anfühlte. Die Dinge nahmen Gestalt an; sie konnte das Ergebnis sehen. Rot Neun drängte sie, den Einsatz zu erhöhen. Sie widerstand der Versuchung und schrie auf, als die letzte Zahl aufleuchtete: diejenige, die sie erwartet hatte. Wenn sie darauf gesetzt hätte, würde sie das Fünfunddreißigfache ihres Einsatzes gewonnen haben. Sie streckte die Hand aus, schlug mit der Faust auf den Tisch und lachte, als die Chips zu ihr kamen. Sie hatte den Tisch jetzt besiegt.
    Maria setzte die Hälfte ihres Geldes erneut auf MANQUE. Sie hatte das Gefühl, als ob ihr Herz Elektronen durch ihre Adern pumpen würde. Die Zahlenkaskade blinkte, in Marias Körper baute sich der störende Eingriff auf, und sie schob ihr ganzes restliches Geld auf neun. Ihr Schweiß tropfte auf den Tisch.
    »Neuf. Rouge, manque, impair.«
    Die schöne Maria stieß einen Schrei aus und machte einen Luftsprung. Die andere Spielerin erdolchte sie mit Blicken; sie hatte in den vorigen beiden Runden ihre Einsätze wieder herausbekommen, hatte jetzt jedoch alles auf milieu douzaine gesetzt und verloren.
    Die Bankhalterin sah sie ebenfalls an. Sie langte in eine Tasche, brachte einen Zerstäuber zum Vorschein und sprühte sich eine Dosis in jedes Nasenloch. Die Dinger waren hier also doch erlaubt, dachte Maria.
    Sie fühlte, wie sich die Kraft in ihrem Innern sammelte. Sie setzte eine Handvoll Chips auf PASSE, ohne daß sie sagen konnte, wie viele es waren. Das Spiel begann. Sie sah das Ergebnis, setzte einen weiteren Stapel und gewann erneut. Und dann noch einmal. Sie war so gut wie blind vor lauter Schweiß, aber das war egal; sie konnte das Pulsieren unter dem Tisch fühlen und die Chips an die Stelle schieben, zu der die Elektronen sie führten. Die anderen Spieler waren ausgestiegen. Maria und die Bankhalterin spielten gegeneinander. Eine Menschenmenge hatte sich angesammelt. Sie konnte. ihre Geräusche hören, aber sie beachtete sie nicht. Energie tanzte auf ihrer Haut. Sie kannte jeden Zug, bevor er ausgeführt wurde. Sie lachte, warf ihre Haare zurück und schob Chips auf den Tisch. Dann erloschen die Energien auf einmal. Maria gab einen Laut der Überraschung von sich. Sie zwinkerte sich Schweiß aus den Augen und sah die Bankhalterin an.
    Die schwarze Frau schaute ihr in die Augen; ihr Blick war merkwürdig sanft. Sie hob die Hände. »Elle vient de faire sauter la banque« , sagte sie und wandte sich ab. Sie schaute nach links und rechts, als ob sie nicht recht wüßte, wohin sie gehen sollte, dann trat sie in die Menge hinein. Maria schaute ihr blinzelnd nach. Sie sah, daß die Schritte der Frau unsicher waren.
    Maria hörte Gejubel und Hochrufe. Jemand umarmte sie; sie erkannte, daß es Ubu war. »Du hast gerade die Bank gesprengt«, sagte er und wiederholte es dann noch einmal ganz laut: »Die Bank ist gesprengt!« Er hob sie hoch und schwang sie herum. Ihr war schwindlig. Ubu setzte sie ab, und sie warf mit einer Kopfbewegung die Haare aus dem Gesicht.
    »Ich möchte was trinken«, sagte sie. Die Leute um sie herum jubelten, als ob sie eine geistreiche Bemerkung gemacht hätte.
    »Wenn Sie bitte mitkommen wollen.« Das war der Croupier. Maria starrte ihn an. »Wenn Sie bitte mitkommen wollen«, wiederholte der Mann, »werden wir Ihre Chips einlösen.« Sie schaute auf seine behaarten Hände: sie trugen ein Körbchen mit ihren Chips darin. »Wir müssen ins Kasinobüro gehen«, sagte der Mann. »Die Kassiere sind nicht ermächtigt, so viel auf einmal auszuzahlen.«
    Sie folgte Ubu und dem Croupier durch die Menschenmenge. Die Leute lachten, klatschten und luden sie zu Drinks ein. Maria drehte den Kopf und sah, daß die Bankhalterin allein zum Ausgang ging. Es war ihr Geld, erkannte Maria. Sie hatten nicht das Geld des Monte Carlo gewonnen; es hatte alles der Bankhalterin gehört. Eine Welle der Reue machte Maria benommen. Wieso hatte sie das nicht eher bemerkt? Das Haus hielt wahrscheinlich an den meisten Tischen die Bank; sie hätte die Institution ausnehmen und

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