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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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und kletterte langsam die Leiter hinauf, als ob sie hoffte, daß Ubu sie zurückrufen und ihr sagen würde, sie müßte es nicht tun. Er sagte gar nichts, sondern stand nur mit der Katze auf den Armen und einem Knoten im Magen da und ließ sie gehen.
    Er wußte nicht warum, aber ihm war zum Heulen zumute.

    Maria verbrachte vier Stunden unter den Elektroden, dann rief sie die Stationstafel an und hinterließ eine Nachricht für Kit, nachts um halb eins zu ihr auf die Runaway zu kommen. Sie dachte, daß es bis dahin vorbei sein würde – so oder so.
    Sie und Ubu verließen die Randzone um zehn, traten aus dem von fiebriger Erregung erfüllten Zwielicht in die hellerleuchtete Geschäftszone. Sie schlenderten langsam und Arm in Arm über den Marmorboden, als ob sie alle Zeit der Welt hätten, und versuchten, ein Gefühl für den Ort zu bekommen. Die Fassade des Kasinos war ein langes, drei Stockwerke hohes Hologramm, nur leuchtende, sich verändernde Farben, wie eine planetare Aurora. Es war ein neues Bauwerk aus dauerhaften Materialien statt aus Tempaschaum, das in den letzten drei Jahren gebaut worden war, als die Wirtschaft des Angelica-Systems genug Reichtum anzuhäufen begann, um Spiele mit hohen Einsätzen außerhalb des Schwerkraftschachts von Angelica zu finanzieren.
    »Es heißt Monte Carlo«, sagte Ubu. Er sah seltsam aus mit dem Mascara, das er aufgelegt hatte, um wie das Hiline-Volk auszusehen. »Komisch, daß sie ein Kasino nach einer statistischen Methodologie benennen. Meinst du, das ist ein Hinweis darauf, wie man gewinnen kann?«
    Ubu und Maria trugen dunkle Haftschuhe und dunkle Socken, graue Röhrenhosen, helle Hemden und dunkle Jacken – fast eine Uniform, aber nicht ganz. Ubu hatte seine unteren Arme hinter dem Rücken verschränkt und versteckte sie unter der Jacke; seine Modifikationen waren außerhalb der Shooter-Kultur nicht gerade unbekannt, aber seltener. Die schöne Maria hatte ihre Augen mit Kajal umrandet und ihre Wangen mit Glitter bestäubt. Sie hatte eine Handvoll Rot Neun in die eine Jackentasche und Blauen Himmel in die andere gesteckt. Sie kam sich wie eine Hochstaplerin vor; ihre Nerven knisterten, als sie an der Aurorafassade des Kasinos vorbei in das gewölbte Foyer ging. Sie bemühte sich, die Türsteher nicht anzusehen. Sie wußte, wenn sie etwas falsch machte, würden diese sie anhalten und sie fragen, was sie hier zu suchen hatte, ob sie Kredit dabeihatte. Aber ihre Blicke gingen über sie hinweg, ohne an ihr hängenzubleiben. Ubu folgte ihr hinein und stieß ein leises Lachen aus, als er merkte, daß er an den Wachposten vorbeigekommen war. Jetzt brauchten sie nur noch eins zu tun, nämlich viel Geld zu gewinnen.
    Das Kasino war zu ihrer Linken. Maria warf einen Blick auf die Spieltische und wunderte sich, wie still es war – statt des ständigen Sperrfeuers von Spielhallenlärm in den Randzonenclubs war hier nur das Gemurmel leiser Unterhaltungen zu hören. Das beeindruckte sie mehr als alles andere: Es vermittelte einem das Gefühl, daß hier das dicke Geld gewonnen und verloren wurde.
    Ubu wartete darauf, daß sie etwas sagte. »Erst in die Bar«, erklärte sie. »Ich muß dem Rot Neun die Chance geben, seine Wirkung zu tun.«
    Sie hatte Pillen mitgenommen, statt einen Inhalator zu benutzen. Sie wußte nicht, ob man hier einen Zerstäuber akzeptieren würde. Der Stoff rollte ihre Nerven wie eine Flutwelle hinauf. Sie konnte fühlen, wie die Elektronenwelt in ihren Ohren summte.
    In der Bar gab es ein Lickklavier, und man hatte einen guten Ausblick auf das Kasino. Die Rouge-et-noir-Tische waren auf der anderen Seite des Raumes, und Maria wollte nicht hinsehen. Sie nippte langsam an ihrem Drink und wartete. Sie hatte keine Lust, sich zu unterhalten, und Ubu mußte das gespürt haben, denn er wartete nur ab, ohne etwas zu sagen. Statt dessen stürzte er drei Drinks in der Zeit hinunter, die sie für einen brauchte.
    Sie bemühte sich, ein Gefühl für den Ort zu bekommen. Sie schloß die Augen und versuchte, das Kasino zu sich sprechen zu lassen.
    Weißes Rauschen. Zuviel Input. Sie mußte näher heran.
    Maria stand auf. »Ich muß gehen«, sagte sie. Ubu folgte ihr. Sie ließ sich von ihren langen Beinen in einem Tempo durchs Kasino tragen, das fast an Panik grenzte. Die Stille in dem Saal war erschreckend. Hiliner und Mudviller standen dicht gedrängt und konzentriert um die Tische, die Augen auf ihr Spiel gerichtet. Manchmal drang von irgendwoher ein Lachen an Marias

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