Engelstation
Fleisch in ihrer Hand.
»Er hat andauernd von Kitten geredet. Wieviel Verständnis sie für ihn hatte.« Er schüttelte den Kopf. In seinem Innern war eine Leere, die sich danach sehnte, mit Schmerz gefüllt zu werden. »Meine Güte«, sagte er. »Ich versteh das nicht. Er und sie.«
Ihre dunklen Augen sahen ihn eingehend an. »Er hat versucht, uns zu beschützen, Ubu.«
Er schaute verwirrt hoch. Seine Augen brannten. »Sag das noch mal.«
»Denk drüber nach. Über die Zeit, als Kitten an Bord kam. Wir fingen gerade mit der Hormonbehandlung an, weißt du noch?«
»Glaub schon.«
»Denk daran, wie das war. Wir waren verrückt. Wir waren ständig scharf. Wir konnten uns nicht beherrschen.«
»Na und?«
»Überleg dir, wie es für ihn gewesen sein muß – mit zwei Leuten an Bord, die alles bumsten, was Beine hatte, und er wochen- und monatelang ohne Partnerin.«
Ubu hatte einen galligen Geschmack im Mund. Er schluckte krampfhaft. »Davon will ich nichts wissen«, sagte er.
Ihre Stimme war sanft. »Er hat versucht, uns zu schützen, Ubu. Und als er sie dann hatte …« Sie wandte sich ab. »Er ist sowieso aus den Fugen gegangen. Das wäre auch ohne Kitten passiert. Sie war nur ein Brennpunkt dafür, das ist alles.«
Ubu strich über die Gitarrensaiten und fühlte sie leise vibrieren, wie Spanndrähte im Wind. Selbst das traurigste Lied aus der Welt der Menschen hätte nicht annähernd beschreiben können, wie er sich fühlte.
Er legte die Gitarren weg und ging das tumorverseuchte Fleisch verbrennen.
Nach zwei Monaten bezog die Runaway eine neue Position. Sie flog zum nächsten Planeten in Richtung der Sonne, tauschte den Riesen in Rot und Orange gegen Kobaltblau und Grün, König Ubu gegen Maria die Schöne ein. Das Schiff wartete.
Die Spektren der Sensoren wiesen eine endlose, voraussagbare Symmetrie auf. Das Röntgengegacker und die Kräuselungen von Gravitationsstörungen – letztere wurden aufgezeichnet, wenn sie mit der Singularität der Runaway mitschwangen – zeigten nichts Ungewöhnliches. Die Detektoren der Runaway waren nicht so empfindlich wie die der Roboterschiffe, die ausgeschickt wurden, um Singularitäten zu suchen, und jetzt bezahlte die Runaway den Preis dafür, daß sie etwas tun sollte, wozu sie nicht gedacht war.
Ubu saß in der Werkstatt der Runaway und hatte den Blick auf ein Terminal gerichtet. Er sah sich Hologramme von Sensor-Schaltplänen an. Ein anderes Holosystem zeigte eine starke Vergrößerung der Arbeit, die er gerade durchführte. Er versuchte, ein empfindlicheres System zu bauen, wobei er mikroskopisch kleine Waldos benutzte, um an den Schaltkreisen herumzubasteln.
Die Schaltpläne verschwammen vor Ubus Augen. Er schüttelte den Kopf, ließ den Blick von den Diagrammen zu seiner Arbeit und wieder zurück wandern und merkte, daß er nicht mehr durchblickte. Er schaltete das Holo ab und befahl seinen Waldos, die halb fertige Schaltung mit einem sterilen Plastikschutz abzudecken, den er auflösen konnte, wenn er an dem Bauteil weiterarbeiten wollte.
Er sah zu, wie die Waldos ihre Aufgabe erledigten, und schaltete sie ebenfalls ab, dann verließ er die Werkstatt und kletterte eine Leiter zur zweiten Ebene der Zentrifuge hinunter. Die Schwerkraft nahm mit jedem Schritt zu.
Die schöne Maria saß im Salon. Sie hatte Maxim auf dem Schoß und ein Stimgerät um die Stirn. Das vierdimensionale Spinnennetz eines Puzzles, das von einem Holographen projiziert wurde, nahm den Rest des Raums ein. Eine silberne Kugel sprang von einer Stelle zur anderen, während Ziffern die verbleibenden Sekunden des Spiels abzählten.
Ubus Blick fiel durch das Gitternetz hindurch auf Marias nackten Körper, ihre angespannte Konzentration. Verzweiflung schlug einen langsamen Rhythmus in seinem Herzen.
Ein Ton erklang. Die Zeit war abgelaufen.
Das vierdimensionale Gitter verschwand. Maria schaute zu Ubu auf und grinste. »Ich geb mir Mühe, nicht zu schummeln. Ist ganz schön schwer, wenn man will, daß was passiert.«
Er setzte sich zu ihr auf die Couch. Die Sitzfläche schmiegte sich an seinen nackten Hintern. Maxims Schnurren klang laut durch die Stille des Schiffes. Sie nahm eine seiner Hände in ihre und legte sie auf ihren Oberschenkel. »Fertig?« fragte sie.
»Halb.«
»Naja, morgen ist auch noch ein Tag.«
»Ja.« Er schloß die Augen. »Wenn wir etwas haben, dann Zeit.«
Sie stieß ein kurzes Lachen aus. Ihr Schenkel an seinem Handrücken war warm. »Ich kann mich nicht erinnern,
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