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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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weinenden Mann, dessen Tränen wie die von Ubu so ziellos durch den Raum trieben, wie er selbst durchs Leben getrieben war – jeder Tag ein kleiner Tod.

    Die schöne Maria begann wieder mit ihrem Spinnennetz-Puzzle. Das riesige silberne Kugellager hüpfte von einer Stelle zur anderen, und ihr Geist sprang auf der Suche nach dem Schlüssel zu dem Puzzle versuchsweise in den sanften hyperbolischen Falten der vierten Dimension herum. Am Schluß fiel alles auseinander. Sie konnte sich nicht richtig konzentrieren.
    Maria schaltete das Spiel ab und hörte Pascos Stimme von ferne durch die Zentrifuge hallen. Sie wurde immer lauter, dann folgte eine lange, wispernde Stille. Sie saß ein paar Minuten lang da und horchte ins Schiff, und plötzlich wollte sie nicht mehr allein sein. Sie hob Maxim von ihrem Schoß, stand auf und legte den Kater in die Vertiefung, die sie in der Couch hinterlassen hatte. Maxim schien diese Störung ein wenig zu überraschen; er setzte sich auf und gähnte, dann legte er sich wieder hin und machte entschlossen die Augen zu. Dabei schnurrte er unablässig weiter.
    Maria trat auf den Korridor hinaus und ging zu Ubus Kabine. Ihre bloßen Füße glitten über rutschfesten grünen Teppichboden, der mit der Zeit abgescheuert und geglättet worden war. Sie blieb stehen und zögerte. Die Tür zum Raum ihres Bruders war geschlossen. Er hatte seine Tür schon lange nicht mehr zugezogen; seit Pascos Tod nicht mehr.
    Sie sah die Tür an. Atem flatterte durch ihre Kehle, und sie fragte sich, ob die Tür für immer zu war. Mit einemmal sprang Furcht in ihr Herz.
    Sie machte kehrt, ging zum Kontrollzentrum und setzte sich an die Kontrollen. Da ihr nichts anderes einfiel, befahl sie dem Computer, noch einmal die Sensorspektren abzuspielen, die er in den letzten paar Stunden aufgezeichnet hatte.
    Hatte sie Ubu benutzt, wie sie Kit benutzt hatte? War etwas Herzloses an der Art gewesen, wie sie in jener ersten Nacht zu ihm gegangen war, oder etwas Durchtriebenes daran, wie sie sein Verlangen benutzt hatte, um sich selbst zu trösten? Sie wußte, daß er sie begehrte, und sie wußte auch, daß er sie sehr viel mehr brauchte, als sie ihn oder sonstwen je gebraucht hatte.
    Spektren zogen im Schnelldurchlauf an Marias Augen vorbei, alles glatte, vorhersagbare Kurven. Komisch, dachte sie. Sie hatte doch nur versucht, Ubu das zu geben, was er haben wollte, was immer es sein mochte. War es ihre Schuld, daß er es nicht bekommen hatte?
    Hatte sie ihn ausgenutzt? Zweifel flimmerte in ihrem Innern wie das Schimmern aufsteigender Wärme.
    Sie hatte keine Lust, allein zu sein.
    Eine Spitze erschien in den Spektren, die Spur einer aufsteigenden und abstürzenden Rakete. Der Spitzenwert war von dem Meßgerät gar nicht mehr erfaßt worden.
    Elektrizität summte in ihrem Geist. Sie beugte sich vor. Ihre Zunge tippte in einem schnellen Rhythmus der Konzentration an ihre Vorderzähne. Sie ließ die Spektren zurücklaufen und sah den plötzlichen Impuls harter Strahlung, gefolgt von einem fortdauernden, geschäftigen kleinen Resonanzmuster auf der Oberfläche der Singularität in der Runaway .
    Harte Strahlung, Gravitationswellen. In Marias Nerven war ein triumphierendes Singen. Vielleicht war dies der große Treffer.
    Sorgfältig untersuchte sie die Spektren. Auf den ersten Strahlungsimpuls folgte innerhalb von Minuten ein Anstieg, dann sank der Wert langsam und stetig ab. Ihr Mut sank. Das Bild war ihr nur allzu vertraut.
    Da war eine Singularität, ganz recht. Das Schwarze Loch befand sich in einem Schiff.
    Die Runaway war nicht mehr allein.

    Maria stellte den Ankunftspunkt des Schiffes fest und richtete die Außenteleskope darauf. Da war es, ein heller, brennender Plasmastrom, der Flammenstrahl eines Schiffes, das mit einer konstanten Beschleunigung von zwei G auf sie zusteuerte. Voraussichtliche Ankunftszeit: in fünf bis acht Tagen, je nachdem, wann die Mannschaft die hohen ge-Werte satt hatte und den Reaktionsantrieb abschaltete.
    Es war eindeutig ein Schiff, keine Robotsonde, die hinter Singularitäten her war. Es war zu groß, um etwas anderes zu sein.
    Die entscheidende Frage war, ob die Leute auf dem Schiff wußten, daß die Runaway auf der Flucht vor dem Gesetz war, oder nicht.
    Maria sah sich erneut die Daten an, dann das Hologramm mit dem bösartigen, perlmuttfarbenen Strich über dem gähnenden schwarzen Abgrund. Das Schiff konnte es nicht auf sie abgesehen haben – niemand auf der Angelica-Station hatte gewußt,

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