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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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muskulöse Schulter. Ubu küßte sie und nahm sie in die Arme. Ihr fiel kein Grund ein, warum sie ihm Einhalt gebieten sollte.
    Ubu war alles, was ihr geblieben war.

    Die schöne Maria schlief. Ihr weißer Körper lag lang ausgestreckt unter einer dunklen Decke aus Haaren. Ubu gab ihr einen Kuß auf die blasse Wange und schlüpfte aus dem Bett. Er ging zur Kombüse und füllte einen Ballon mit Bier. Maxim erschien, streckte sich, streifte mit seiner Wärme um Ubus Beine und begab sich dann inmitten einer Wolke schwebender Haare zu seinem automatischen Nahrungsspender. Ubu nippte an seinem Bier und ging zur Tür seiner Kabine zurück. Marias Körper schimmerte sanft in der Dunkelheit. Bei dem Anblick senkte sich eine ziellose Traurigkeit über sein Herz.
    Er hatte nie aufgehört, sie anzubeten. Anfangs hatten sie die Beschleunigungshormone zueinandergetrieben, die in ihren Adern brannten, bis sie in einem heißen Durcheinander von Armen und Beinen, leisen Schreien und schwerelosem Verlangen verschlungen waren. Ubu hungerte nach ihr, wollte sich in den geschmeidigen weißen Gliedmaßen verstricken und endlos in die dunklen Singularitäten ihrer Augen stürzen. Er wollte sich in ihr verlieren, wollte in ihrer Haut, ihrem Atem, ihrem Herzen ein Zuhause finden. Er wünschte sich eine unwiderrufliche Apokalypse, eine Auslöschung seines Ichs in ihren sanften, unschuldigen Händen.
    Das leidenschaftliche Verlangen brannte weiterhin in ihm. Aber etwas stand zwischen ihnen, hielt ihn davon ab, mit seiner Schwester zu verschmelzen, sich in den Sturm der Liebe und des Vergessens zu stürzen, den er sich ersehnte. Die schöne Maria schien ihm nie unerreichbarer, als wenn er sie in den Armen hielt, wenn er die formlose Sturmwolke ihrer Haare streichelte und ihre durchscheinenden Augenlider küßte, wenn er sie unter sich erbeben fühlte und die hellen, vogelähnlichen Farben hörte, die ihre Lustschreie waren.
    Die Hormone trieben ihn zu ihr; die Hormone trieben ihn fort von ihr. Erst suchte Ubu sich andere Partner, dann Maria. Die Berührung anderer, nicht so perfekter, nicht so zärtlicher Hände verschaffte ihm größere Befriedigung.
    Trotzdem erlosch das Verlangen niemals ganz. Manchmal beobachtete er Maria, und irgend etwas brachte alles zurück: die Art, wie sie ihren Kopf zurückwarf, die sorglose Bewegung eines Schulterblatts, das perlmuttartige Rascheln ihrer Nägel, wenn sie eine gerötete, juckende Stelle an ihrem milchweißen Arm kratzte … Es war nicht einmal nötig, daß Maria da war; manchmal war es bloß ein Geräusch, ein Geschmack in der Luft, eine Stimme, die er in einer Bar, einem Lied oder einem Illustreifen hörte und die eine Erinnerung in ihm wachrief. Und da war es, ein Stocken im Rhythmus seines Herzschlags, eine glänzende, erbarmungslose Klinge, die sich in ihm drehte …
    Ubu spritzte sich aromatisches Bier in den Rachen, sah Maria an, die in der Dunkelheit seiner Kabine lag, und fragte sich, was er vermißt hatte, wie es kam, daß er die Frau und die Geliebte haben konnte, die er sich immer gewünscht hatte, und daß es ihm trotzdem so wenig gab.
    Maria bewegte sich im Bett, seufzte und machte schläfrig die Augen auf. Die Erinnerung traf Ubu wie ein Stich ins Herz.
    Verlangen keimte in der Verzweiflung auf. Obwohl er sich der Hoffnungslosigkeit des Ganzen vollauf bewußt war, stellte er den Druckballen in einen Halter und ging zu ihr. Seine Hand griff blindlings zu, um den dunklen Schleier ihrer Haare beiseite zu ziehen …

    Ein paar Stunden später machten sie einen weiteren Schuß über eine Distanz von etwas mehr als acht Lichtjahren. Diesmal war Ubu der Pilot. Er tauchte spiralförmig in die Singularität hinein, die in seinem Geist wohnte. Ubu war ein hervorragender Gezeitenreiter; in seiner Genauigkeit und Präzision spiegelte sich sein perfektes Gedächtnis wider. Er vergaß niemals einen Schuß oder eine Simulation. Wenn er sich die richtige Reaktion auf einen Gezeitenstrudel einmal gemerkt hatte, blieb sie für immer in seinem Reservoir von Optionen, und sobald er es mit einer vergleichbaren Situation zu tun bekam, wußte er mit absoluter Sicherheit, wie er darauf reagieren mußte. Nur wenn er mit etwas noch nie Dagewesenem konfrontiert wurde, mußte er nach besten Kräften abschätzen, was richtig war, und sich einfach hineinstürzen, aber das war immer seltener der Fall.
    Als Shooter war er jedoch nicht so brillant wie Maria. Er konnte auf das reagieren, was im Schwarzen Loch geschah,

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