Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
Vom Netzwerk:
und setzte sich auf. Die Bewegung hob sie ein paar Zentimeter aus ihrem Sessel; die zunehmende Schwerkraft zog sie wieder zurück. Sie wischte sich schweißfeuchte Haare aus der Stirn und sah Ubu an.
    Ihr Bruder saß aufrecht da. Maxim lag auf seinem Schoß. Er sah unglaublich frisch und munter aus. Seine vier Arme hingen über der Kontrolltafel und warteten darauf, daß etwas getan werden mußte. Er warf ihr einen Blick zu.
    »Das sah ziemlich hart aus. Bist du okay?«
    »Ja.« Sie zog sich das T-Shirt über den Kopf und wischte sich damit den Schweiß vom Gesicht. Ihre Gelenke protestierten gegen die Rückkehr der Schwerkraft. Die Zentrifuge ächzte erneut.
    »Ich hau mich hin«, sagte sie und lächelte schwach. »Bin müde.«
    Ubu sah sie immer noch an. »Willst du ‘ne Massage oder so? Du hast mit jedem Muskel in deinem Körper gegen diesen Schuß gekämpft.«
    Maria schwang die Beine über den Rand des Liegesessels. »Ich will bloß schlafen.« Die anbrandende Schwerkraft ließ sie beinahe auf die Knie fallen.
    Ubu war sofort von seinem Sessel herunter und stützte sie. Maxim, der sich mit schläfrigem Blick reckte, beschwerte sich, weil er so plötzlich von Ubus Schoß geworfen wurde. Von Ubus Armen gestützt, taumelte Maria zu ihrer Kabine. Sie ließ ihr Hemd zu Boden fallen und sank in die Koje. Sie schaute zu ihrem Bruder hoch.
    »Danke.«
    Er nahm ihre Hand und sah sie mit einer Miene an, die ermutigend wirken sollte. »Wir haben’s geschafft«, sagte er.
    »Ja. Wir haben’s geschafft.«
    »Danke. Für alles.«
    Sie schenkte ihm ein müdes Lächeln. »Ist schon okay.«
    Er sah sie lange an. »Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, daß dir was passieren könnte.«
    »Ich …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß.«
    Er hob die Schultern. In seinem Blick lag Sehnsucht, Sehnsucht und eine anhaltende Traurigkeit, die er akzeptiert hatte. »Ich bin froh, daß du bei mir bist«, sagte er.
    »Ja. Ich auch.« Er drückte ihre Hand, dann trat er zur Tür der Kabine zurück. Er drückte auf den Lichtregler und schob ihn zu.
    Maria konnte schwach die Elektronenwelt sehen. Sie bewegte sich, eine lautlose Erscheinung in der Dunkelheit.
    Die Schwerkraft zog sie in den Schlaf.

    Als Maria aufwachte, hörte sie die leisen Geräusche des Schiffes: das Knacken der Fugen, das Wispern der Lüftung, das leise Summen und gelegentliche Ächzen der Zentrifuge. Die Elektronenwelt war aus ihren Wahrnehmungen verschwunden. Sie duschte, zog sich an und verließ die Kabine.
    Die Kommandozentrale war leer. Sie warf einen Blick auf die Kontrolltafeln und stellte fest, daß die Software zur Positionsbestimmung ihren Standort ermittelt und einen Sprung von zehn komma sieben Lichtjahren registriert hatte. Ubu hatte die Navigationssoftware geladen, wie sie sah, und an ihrem nächsten Schuß gearbeitet. Er hatte sich einen Zielstern ausgesucht, der weitere dreißig Lichtjahre entfernt war. Er hieß Montoya 81. Fernscans hatten gezeigt, daß der Stern Planeten besaß. Er war so weit den Grenzen des von Menschen besiedelten Weltraums entfernt, daß man noch keine automatischen Singularitätssucher hingeschickt haben würde.
    Um sie herum summte die Runaway . Zehn komma sieben Lichtjahre, dachte sie. Plötzlich kam ihr die Luft kalt vor. Sie fröstelte.
    Sie fand Ubu in seiner Koje. Er lag auf dem Rücken und schlief. Er hatte die oberen Arme unter den Kopf gelegt und die anderen weit ausgebreitet. Dir bedeutet nur eins was , hatte Kit sie beschuldigt, nämlich deine Familie und dein Schiff . Dabei hatte er sie mit Colettes verzweifeltem Blick angesehen.
    Tja, dachte sie. Die Familie ist jetzt alles, was ich habe.
    Ubu schreckte hoch. Seine Arme zuckten, und er sah sie verstört an. »Stimmt was nicht?« fragte er.
    »Nein, nein. Ich wollte bloß nachschauen, wo du steckst.« Dummes Zeug, dachte sie. Wo sollte er schon hingehen?
    Er entspannte sich. »Hab nur ein Nickerchen gemacht.«
    Sie schwebte näher zu ihm hin. »Tut mir leid, daß ich dich geweckt habe.«
    »Schon okay. War sowieso Zeit, aufzustehen.« Er sah sie wieder an, und ein besorgter Blick trat in seine Augen. »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Ja. Ich fühl mich bloß ein bißchen einsam.«
    Sie setzte sich auf den Rand seines Bettes. Er legte einen seiner unteren Arme um sie. »Ich hab auch Angst«, sagte er.
    Sie lächelte. »Vorher hatten wir wohl keine Zeit dazu, Angst zu haben.«
    »Nein, wohl nicht.«
    Maria streckte sich neben ihm aus und bettete ihre Wange an seine

Weitere Kostenlose Bücher