Engelstation
durch Ubus Nerven zu strömen.
Die Luftdüse zischte irgendwo unter seinem Kinn. Sein Herzschlag und seine Atmung waren sehr laut. Irgendwo hinter diesen Geräuschen, verdeckt vom Fließen seines Blutes, setzte ein fernes, komplexes Pochen ein, das Trommeln der Geliebten, das in seinem Gedächtnis aufstieg. Es schlug den Rhythmus zu seinen Gedanken, machte ihn bereit. Als Ubu sich einschleuste und die Innentür ratternd nach oben glitt, tauchte der echte Pulsschlag der Geliebten hinter dem Rhythmus in Ubus Kopf auf, und die beiden rankten sich wie zwei ineinander verschlungene Weinreben hoch. Ubu lachte. Heute würde nichts schiefgehen.
Zu seiner Überraschung führte ihn Zwölf zu einer anderen Kammer, einem kreisrunden Raum, der kleiner war als der erste. Aus der gegenüberliegenden Wand wuchs ein Bündel blaßgrauer Stricke, alle etwa so dick wie Ubus Daumen, die in der schwachen Brise wehten wie die herabhängenden Nesseln einer Qualle in einer starken, unsichtbaren Strömung. Ein anderes Ding ragte aus der Wand, als ob es dort gewachsen wäre; es sah wie eine rosafarbene, halb geöffnete Blume aus. Zwölf schwebte durch den Raum zu der Blüte aus Stricken, drehte sich um und sah Ubu an. Einige Stricke bewegten sich über Zwölfs Brust und hielten ihn sanft fest. Ohne sie zu beachten, hackte Zwölf mit seinem Stift auf seinem Funkgerät herum.
»Dies-Individuum wird nun mit der Geliebten verschmelzen. Verehrter Schiffsführer Ubu, bitte lege Proben deiner Substanzen auf das Analyseorgan der Geliebten. Ich werde dir ihre Schlußfolgerungen übermitteln.«
Analyseorgan, dachte Ubu. Na schön. Er flog mit Hilfe seiner Düsen zu dem blumenartigen Ding, bremste und blieb davor in der Luft stehen. Ein leuchtender Überzug ließ die Blütenblätter glänzen. Ubu riß die Klettstreifen des Verbandskastens auf und griff nach einem Fläschchen. Er warf einen Blick auf Zwölf und erstarrte. Einer der grauen Stricke war zwischen Zwölfs Schultern festgewachsen und pulsierte, als ob er auf irgendeine Weise Flüssigkeit von Zwölf zu dem Büschel befördern würde. Eine eiskalte Hand streifte Ubus Nacken, als ihm klar wurde, daß der Strick durch Zwölfs Haut eingedrungen war. Als sich der Strick verdrehte, sah Ubu, wie er Zwölfs dunkelgraue Haut hochzog, als ob er die Konstruktion von Zwölfs Rückgrat nach Belieben umbauen würde.
Das rhythmische Trommeln der Geliebten änderte sich leicht. Zwölfs Augen waren unkoordiniert; sie blickten in verschiedene Richtungen. Ein Speicheltropfen löste sich völlig unbemerkt von Zwölfs Mund, während die zweigähnlichen Gebilde schlaff herunterhingen.
Übelkeit wallte in Ubus Bauch auf. Er schaute weg. Das Geräusch des tippenden Stifts, das schwach durch seinen Anzug hereindrang, erregte erneut seine Aufmerksamkeit. Zwölf hing am Ende seines Stricks. Sein Blick war wieder klar, und er war anscheinend wieder bei vollem Bewußtsein.
»Dies-Individuum ist mit der Geliebten verschmolzen. Der verehrte Schiffsführer wird gebeten, seine Proben vorzulegen.«
Mit der Geliebten verschmolzen. Das Tentakelbündel war also die Geliebte, oder zumindest ein Teil von ihr. Ubu kämpfte seine Übelkeit nieder.
Unsicher sah er erst Zwölf und dann das knospenähnliche Ding an. Er langte in den offenen Verbandskasten und nahm eins der Fläschchen heraus, von denen jedes einzelne wohl mit das Wertvollste an Bord der Runaway darstellte.
Das Fläschchen war winzig, und Ubu hatte Schwierigkeiten, es mit seinen behandschuhten Fingern festzuhalten. Es enthielt ein paar Unzen Orange Siebzehn, ein komplexes Neurohormon, dessen Funktion darin bestand, neuronische Verbindungen im Vorderhirn zu stimulieren. Eine umfassende Behandlung konnte die Intelligenz um dreißig bis vierzig Prozent steigern, aber das Hormon ließ sich nur schwer künstlich herstellen und noch schwieriger stabilisieren, und man mußte mit kontinuierlichen kleinen Auffrischungsdosen dafür sorgen, daß die neuen neuralen Verbindungen elastisch und effektiv blieben. Sowohl Ubu als auch Maria hatten sich dieser Behandlung unterzogen, und sie hüteten ihren schrumpfenden Vorrat an diesem Hormon wie ihre Augäpfel, weil er so unersetzlich war.
Ubu aktivierte das Fläschchen, betätigte seine Kontrollen und machte eine kleine Dosis fertig. Zwölf drehte sich am Rand seines Sichtfelds. Vorsichtig streckte Ubu die Hand zu dem knospenähnlichen Ding aus.
Die Knospe öffnete sich und glitt mit einer lautlosen, zügigen Bewegung auf Ubu
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