Engelstation
zu. Ubu bekam einen fürchterlichen Schreck und wollte einen Satz nach hinten machen, was jedoch nur dazu führte, daß er in seinem Anzug wild um sich schlug.
Galle brannte in Ubus Hals. Sein Herz hämmerte lauter als die Trommeln der Geliebten. Das knospenähnliche, glänzende Gebilde wartete mit vorgestreckten Blütenblättern.
»Analyseorgan« war eine passende Bezeichnung, wie er feststellte: Das Ding war nur der Form nach knospenähnlich. Es bestand nicht einmal aus pflanzlicher Materie.
Das Ding bestand aus Fleisch , und es war lebendig. Ubu schnappte nach Luft. Sein Anzug nahm seine Panik wahr und erhöhte den Sauerstoffanteil in seiner Umgebung, um ihn auf eine Flucht oder einen Kampf vorzubereiten. Ihm war schwindlig.
Gib der Geliebten, was sie haben will, dachte er. Er versuchte das Zittern in seiner Hand zu kontrollieren, als er das Fläschchen nach vorn schob. Ein Blütenblatt bot sich wie eine feuchte, rosarote Zunge dar. Ubu hielt das Fläschchen an die schwammige Oberfläche und drückte auf den Auslöser. Eine winzige Menge des Neurohormons lagerte sich auf dem Blütenblatt ab.
Die Organ-Blume zog sich lautlos zurück, und die Knospe schloß sich wieder. Ubu rang seine Panik nieder. Es gelang ihm, das Fläschchen mit zitternden Fingern wieder in seinen Beutel zu stopfen.
Sein Herzklopfen ließ langsam nach. Buchstaben liefen über seine Sichtscheibe, während er Zwölf mit seinem Stift tippen hörte.
»Polypeptid. 203 Aminosäuren. Einkettig.« Ubu drehte sich um und sah Zwölf am Ende seines elastischen Stricks schweben. Die Nabelschnur hatte aufgehört zu pulsieren; Zwölfs Augen beobachteten ihn mit kühlem Desinteresse. Ubu räusperte sich. Strudel von Angst und Abscheu gaben seinen Worten einen beißenden Klang.
»Ist es die allzeit gepriesene Geliebte, die mit mir spricht?«
»Die Geliebte spricht mit mir«, erwiderte Zwölf. »Ich übersetze dir ihre Worte.«
Sieh zu, daß du die Sache hinter dich bringst, dachte Ubu. Und dann nichts wie raus hier. »Glaubt die Geliebte, daß sie dieses Polypeptid erzeugen kann?«
Zwölfs Stift zögerte nicht. »In jeder gewünschten Menge.«
Es dauerte etwas, bis die Bedeutung dieser Antwort durch Ubus sich langsam lichtenden Nebel der Angst gedrungen war. Schließlich konnte er Zwölfs Worte nur wiederholen. »In jeder gewünschten Menge?«
»Vorausgesetzt, es steht eine ausreichend große Sauerstoff- und Stickstoffquelle zur Verfügung.«
Ubu stieß ein kurzes, ungläubiges Lachen aus. »Na schön«, sagte er. »Wie lange braucht sie für eine Tonne?«
»Die Geliebte wird vierzig bis fünfzig Stunden benötigen, um den erforderlichen chemischen Assembler zu erschaffen. Ein fertiger Assembler kann eine Tonne von diesem Polypeptid in ungefähr vier bis sechs Stunden erzeugen.« Es gab eine kurze Pause, dann tippte Zwölf wieder auf seinen Sender ein. »Dies-Individuum entschuldigt sich für die Ungenauigkeit seiner Antworten. Die Schätzungen der Geliebten sind unpräzise, da sie nicht genau vorhersagen kann, ob ihre Aufmerksamkeit nicht woanders benötigt wird.«
Ubu schwirrte der Kopf. Er starrte Zwölf benommen an; sein Verstand brauchte eine Weile, um das zu verarbeiten. »Die Schätzungen reichen vollauf«, sagte er und griff blindlings nach seinem Verbandskasten. »Ich habe noch ein paar Proben.«
»Fahre fort, hochwürdiger Schiffsführer.« Das Analyseorgan entfaltete sich wieder. Ubu spürte ein Kribbeln in seinem Nacken.
Bei Ubus Proben handelte es sich ausnahmslos um Stoffe, die nicht durch Patente geschützt und bereits seit über zehn Standardjahren auf dem Markt waren. Jeder konnte sie herstellen. Seine zweite Probe war ein komplexes Protein, das dazu benutzt wurde, Heilprozesse in kontraktilem Gewebe zu beschleunigen, ein Medikament, das vor allem bei Verbrennungen zum Einsatz kam. Die Geliebte konnte eine Tonne davon in weniger als einer Stunde produzieren. Die dritte Probe war eine synthetische Boten-RNA, die in der Gentechnik Verwendung fand. Das Zeug war furchtbar teuer: Ubu hatte nur den Rest in dem Fläschchen, der übriggeblieben war, als Pasco Marias Gene zusammengemischt hatte. Dieser Stoff bereitete der Geliebten nur wenig Schwierigkeiten: Die Zahl der Minuten, die sie für eine Tonne brauchte, sank auf vierzehn.
Ubus vierte Probe war Blau Achtzehn, ein Neurotransmitter, der eine Steigerung von Hirn- und Nervenfunktionen bewirkte, eine effektivere und komplexere Form des Stoffs, den sich Marco de Suarez ständig in
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