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Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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Harris Stimme meldete sich eine Spur von Trotz. »Ich durfte immer hierher. Auch wenn Wanda nicht da war. Sie hat’s mir erlaubt.« Er hatte nichts Verbotenes getan. Hatte die Tür sogar hinter sich verschlossen, damit niemand merkte, dass er sich hier verkroch. In diesem Sessel hockte und heulte wie ein Schlosshund, bis eine Müdigkeit kam, die ihn so gleichgültig machte, dass sich alles aushalten ließ. Irgendwie. So hatte es sich jedenfalls angefühlt, bis die Verrückte alles in Scherben geschlagen hatte und er fast gestorben wäre vor Angst.
    Er wollte weg. Er musste hier weg. Sich und sein Geheimnis in Sicherheit bringen. Er griff nach der Tüte neben dem Sessel. »Darf ich nach Hause?«
    Pieplow nickte. Es gab keinen Grund, den Jungen hierzubehalten. Und es wurde Zeit, dass er sich um Gesine Manthey kümmerte.
    »Darfst du. Ich weiß ja, wo ich dich... Was nimmst du da mit?«
    »Nichts, nur...« Harri wusste, dass seine Angst ihn verriet. Die verzweifelte Kraft, mit der er die Tüte gegen den Bauch presste. Der entsetzte Blick, mit dem er Pieplow beschwor, nicht weiter zu fragen. Er versuchte es trotzdem. »Das ist meins«, stieß er hervor.
    »Gib her!« Pieplow streckte den Arm aus und bewegte fordernd die Finger. »Los!«
    Harri rührte sich nicht.
    »Hast du nicht gehört? Ich will wissen, was da drin ist!«, herrschte Pieplow ihn an. Ging auf ihn zu, griff nach der Tüte und starrte auf die Jacke, die herausfiel, als der dünne Kunststoff zerriss. Er sah Harri an und hatte nicht die leiseste Ahnung, warum eine alte Regenjacke den Jungen so ängstigte, dass sich ein feuchter Fleck auf seinen Shorts ausbreitete.
    Pieplow hob die Jacke am Kragen auf, um sie hin- und herzuwenden. Ihre Größe zu schätzen, in ihre Taschen zu greifen.
    Rechts ein paar Handschuhe, Leder, nicht mehr neu und rissig vom Tragen.
    Links ein Notizbuch. Schwarz, mit einem silbrigen Band, an dem der Kalender aufschlug, als Pieplow daran zog.
    »5. August«, las er. »Der Himmel blau und wolkenlos.
    Warm.
    Kornblumen, Kamille und Mohn. Schön.
    Malven und Rosen so üppig wie lange nicht mehr.
    Gesine – Rizinus, viel Wasser! Und sie wird wieder allein sein! -
    Uriel.«
    Alle Seiten seitdem waren leer.
    »Verdammt!«, stieß Pieplow hervor. »Wo hast du die Sachen her?«
    »Nur die Jacke«, schluchzte Harri gequält. »Ich hab nur die Jacke in Mantheys Schuppen gefunden.« Mit dem Handrücken wischte er sich Rotz und Tränen aus dem Gesicht.
    »Aber warum...«, begann Pieplow und musste plötzlich nicht weiter fragen. »Sie gehört deinem Vater. Hab ich Recht?«
    Keine Antwort. Nur ein stummes verzweifeltes Nicken.
    »Und du denkst, er hat etwas mit Wandas Tod zu tun.« Pieplow trat neben den Jungen und legte ihm den Arm um die Schultern. »Wie kommst du darauf?«
    Harri schluchzte und schwieg.
    »Raus mit der Sprache – was ist passiert?« Pieplow verstärkte den Druck seines Arms.
    »In der Nacht... Er war da, als sie... gestorben ist. Ich hab ihn gesehen!«, stieß Harri hervor.
    Pieplow ging vor dem weinenden Jungen in die Hocke und sah in dessen verstörtes Gesicht. »Langsam, Harri, der Reihe nach. Wo hast du deinen Vater gesehen?«
    »Am Klausner , als wir... Ich hatte mich versteckt, sonst hätte er mich gefunden und dann...«
    »Sah es denn so aus, als wenn er dich sucht?«
    »Eben nicht«, sagte Harri und hob den Kopf. »Er ist einfach vorbeimarschiert. Ziemlich schnell. Nicht wie einer, der was sucht.«
    »Trotzdem hast du ihn erkannt?«
    »Die Jacke, ja. Sonst nichts. Konnte ich ja nicht, weil er die Kapuze auf dem Kopf hatte.«
    »Aber du bist sicher, dass es ein Mann war?«
    Harri sah erstaunt auf. Dachte angestrengt nach und schüttelte den Kopf. Niemals wäre ihm in den Sinn gekommen, unter der hochgeschlagenen Kapuze eine Frau zu vermuten. »Ja«, sagte er dann entschlossen. »Ganz bestimmt ein Mann.«
    Pieplow atmete vor Erleichterung tief aus, als er sich aufrichtete. »Ich glaube, du irrst dich, Harri. Bestimmt sogar. Dein Vater hat Wanda nicht gemocht, sie wohl sogar gehasst. Aber er hat sie nicht getötet. Ich glaube, ein anderer hat es getan und wir werden herausfinden, wer. Mit der Jacke zum Beispiel. Mit den Handschuhen und dem Kalender. Und mit all dem, was zutage kommt, wenn wir anfangen zu suchen.«

16
    »Man könnte es als eine Art höherer Gerechtigkeit sehen«, schlug Pieplow vor.
    »Den toten Mörder, meinen Sie?« Schöbel verzog skeptisch das Gesicht. »Klar kann man das. Ich persönlich finde diese

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