EngelsZorn - Im Blutrausch
ging zum Fenster hinüber, öffnete es, zog eine Zigarette aus seiner Packung heraus, zündete sie an und sog den Rauch tief in seine Lungen hinein. Nachdem er sie geraucht hatte, schnippte er die Kippe hinaus, schloss das Fenster wieder und ging zu Isabelle zurück. Er begann wieder zu erzählen. Isabelle fühlte sofort, dass es ihm nun leichter fiel, über seinen Bruder zu sprechen, als über das Unglück mit dessen Verlobten. Sie hörte ihm eingehend zu, ohne ihn ein weiteres Mal zu unterbrechen.
„Daniel hatte ihren Tod nicht überwinden können. Er ist damit nicht zurecht gekommen. Die größten Selbstvorwürfe hat er sich gemacht, weil er grundlos diese Schlägerei angezettelt hat. Es war für ihn die Hölle und es wurde mit jedem Tag schlimmer. Dass sie nicht mehr da war, war für ihn unerträglich geworden. Daniel trauerte tagelang um sie.“ Fort verstummte für einen kurzen Augenblick. „Ich weiß noch wie heute, wie euphorisch er klang, als er das erste Mal über sie gesprochen hat... kann mich noch genau daran erinnern... er hat sie in einem Strandcafé entdeckt, das war in Nizza... er hat dort Urlaub gemacht... das war das erste Jahr ohne uns. Noch am selben Tag hat er mich angerufen. Um zwei Uhr morgens. Er hat mich einfach aus dem Bett geklingelt. Dass es mitten in der Nacht war, störte ihn nicht weiter. Es war ihm scheißegal. Er hat gar nicht mehr aufgehört, über sie zu reden... er war wirklich total überdreht. Daniel hörte sich so glücklich an. Sie kam aus Berlin, wissen Sie... sie war eine Deutsche. Es war bei den beiden Liebe auf den ersten Blick und sie führten ein knappes Jahr eine Fernbeziehung. Mal war er bei ihr in Berlin, mal kam sie zu ihm nach Paris.“ Er machte eine kurze Atempause und sah zum Fenster hinüber. Er erinnerte sich. „Ich halt’s kaum noch aus ohne sie. Das macht mich ganz krank, wenn sie in Berlin ist. Der Gedanke, dass sie ein anderer angrapschen könnte, macht mich wahnsinnig... was kann ich denn von hier aus schon machen, wenn sich ein anderer an sie ‘ranmacht?!... ich will, dass sie immer bei mir ist, verstehst du? Kein anderer soll sie haben. Jeden bring‘ ich um, der’s nur einmal versucht, sie anzugraben! Das schwör‘ ich euch!“, hatte Daniel eines Tages zu ihm und Léon gesagt. Fort richtete den Blick erneut auf Isabelle. „Daniel ertrug es einfach nicht mehr länger, wenn sie getrennt waren. Er hat oft gesagt, er würde jeden Morgen mit Brustschmerzen aufwachen. Er sagte auch, er liebe sie... und die Eifersucht hat ihn wahnsinnig gemacht... er hat sie einfach tierisch vermisst, wenn sie in Berlin war. Stundenlang hat er sich dann den Son g ‚Send me an Angel ‘ angehört. Es hat uns fast in den Wahnsinn getrieben! Obwohl wir beide das Lied geil fanden, aber Daniel hat’s uns fast versaut, wissen Sie. Mein Zimmer war direkt neben seinem... ich hab’s am lautesten gehört... und jetzt wird dieses Lied zu solch grausamen Morden missbraucht...“ Fort schüttelte den Kopf. „... in der Disco hat dieser Song gespielt, als er sie das erste Mal geküsst hat. Daniel hat immer gesagt , ich fühle mich ihr so nah, wenn der Song läuft. “ Er verstummte für einen kurzen Augenblick. „Ich war sogar dabei, als Daniel für sie den Verlobungsring ausgesucht hat... und er hat dabei nicht aufs Geld geschaut, Isabelle. Er kaufte ihr den schönsten und teuersten, den er sich damals leisten konnte. Und das Geld hatte er nur, weil er seine über alles geliebte Harley Davidson dafür hergegeben hat. Und glauben Sie mir, das Motorrad war sein ein und alles... ein Heiligtum, verstehen Sie! Er liebte seine Harley. Er fuhr sie noch nicht einmal ein ganzes Jahr, als er sie wieder verkauft hat.“
Fort ging abermals zum Fenster, öffnete es, zündete sich eine Zigarette an und zog den ersten Zug tief in seine Lungen hinein. Anschließend sprach er weiter.
„Nachdem alle Untersuchungen abgeschlossen wurden und die Formalitäten erledigt waren, wurde sie nach Deutschland überführt. Das hat fast zwei Wochen gedauert. Daniel hat sie auf ihrer letzten Reise begleitet... nach der Beerdigung ist er aus Berlin aber nicht wieder zurückgekehrt... Wissen Sie, er wollte, dass wir hierbleiben . Ich muss das allein durchstehen , hat er zu uns gesagt. Wir haben seinen Wunsch respektiert... er hätte sich auch aufgeführt wie ein Irrer, wenn wir trotzdem mitgekommen wären. Wir kannten ihn ja, also haben wir’s gelassen. Wir waren dafür, na ja, in unseren Gedanken bei
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