Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
Zimmer für sie, bat den Aufzugführer, sie dorthin zu begleiten, bat den Concierge, ihr einen café complet hinaufzuschicken, küsste ihre Hand und sagte: » A tout à l’heure – ich hole Sie kurz vor ein Uhr ab, dann gehen wir essen.«
Linda nahm ihr Bad, frühstückte und legte sich ins Bett. Als das Telefon klingelte, schlief sie so tief, dass sie nur mit Mühe erwachte.
»Un monsieur qui demande madame.«
»Je descends tout de suite«, sagte Linda, aber es dauerte eine gute halbe Stunde, bis sie fertig war.
17
»Aha! Sie lassen mich warten«, sagte er, während er ihre Hand küsste oder vielmehr ihre Hand an seine Lippen führte und sie dann plötzlich wieder losließ. »Das ist ein sehr gutes Zeichen.«
»Ein Zeichen wofür?«, fragte Linda. Er hatte einen Zweisitzer draußen vor dem Hotel, und sie stieg ein. Sie fühlte sich jetzt sehr viel wohler.
»Oh, für dies und das«, meinte er und legte den Gang ein, »ein gutes Vorzeichen für unsere Affäre, dass sie glücklich sein wird und lange dauert.«
Linda erstarrte, sie war jetzt ganz Engländerin und sehr verlegen. Unsicher erklärte sie: »Wir haben keine Affäre.«
»Mein Name ist Fabrice – darf man den Ihren erfahren?«
»Linda.«
»Linda. Comme c’est joli. Bei mir dauert es meistens fünf Jahre.«
Er fuhr zu einem Restaurant, wo man sie ehrerbietig an einen Tisch in einer Ecke mit roten Plüschmöbeln geleitete. Er bestellte das Essen und den Wein in jenem schnellen Französisch, dem Linda einfach nicht folgen konnte, legte dann die Hände auf seine Knie und sagte zu ihr: »Allons, racontez, madame.«
»Racontez was?«
»Nun, die Geschichte natürlich. Wer hat Sie denn da weinend auf diesem Koffer sitzen lassen.«
»Er hat mich nicht sitzen lassen. Ich habe ihn verlassen. Es war mein zweiter Mann, und ich habe ihn für immer verlassen, weil er sich in eine andere Frau verliebt hat – eine Sozialarbeiterin, Sie wissen wahrscheinlich gar nicht, was das ist, in Frankreich gibt es so etwas bestimmt nicht. Es macht die Dinge bloß noch schlimmer, das ist alles.«
»Was für ein seltsamer Grund, seinen zweiten Mann zu verlassen. Bei Ihren Erfahrungen mit Ehemännern muss Ihnen doch aufgefallen sein, dass die so etwas immer mal wieder tun: sich in andere Frauen verlieben. Aber die Sache hat ja auch ihre guten Seiten, und ich beklage mich jedenfalls nicht. Aber warum der Koffer? Warum haben Sie sich nicht in den Zug gesetzt und sind zu Monsieur, dem wichtigen Lord, Ihrem Vater, gefahren?«
»Das habe ich ja getan, bis es hieß, meine Rückfahrkarte sei abgelaufen. Ich hatte nur noch sechs Shilling und drei Pence, in Paris kenne ich niemanden, und ich war schrecklich müde, da habe ich geweint.«
»Der zweite Mann – warum von ihm nicht ein bisschen Geld leihen? Oder haben Sie einen Brief auf seinem Kopfkissen hinterlassen – nie können sich die Frauen diese kleinen Ausflüge in die Literatur verkneifen, dabei macht gerade das dann eine Rückkehr so peinlich, ich weiß.«
»Nun, er ist ohnehin in Perpignan, ich hätte also gar nichts tun können.«
»Ach, Sie kommen aus Perpignan. Und was um alles in der Welt haben Sie dort getan?«
»Wir haben dort um alles in der Welt versucht, euch Frogs daran zu hindern, die armen Epagnards zu quälen«, sagte Linda mit einem gewissen Schwung.
»E-spa-gnols! Wir quälen sie also, tatsächlich?«
»Jetzt nicht mehr so sehr – aber am Anfang war es schlimm.«
»Was hätten wir denn mit ihnen tun sollen? Wir haben sie nicht zu uns eingeladen, wissen Sie.«
»Ihr habt sie bei diesem grausamen Wetter in Lager getrieben und ihnen wochenlang kein Dach über dem Kopf gegeben. Hunderte sind gestorben.«
»Es ist gar nicht so einfach, von heute auf morgen einer halben Million Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben. Wir haben getan, was wir konnten – wir gaben ihnen zu essen –, Tatsache ist, dass die meisten noch am Leben sind.«
»Noch immer in Lagern zusammengepfercht.«
»Meine liebe Linda, Sie können kaum von uns erwarten, dass wir sie ohne Geld frei in der Gegend herumlaufen lassen – was würde dabei herauskommen? Benutzen Sie einmal Ihren gesunden Menschenverstand.«
»Ihr solltet sie zum Militärdienst heranziehen, damit sie im Krieg gegen den Faschismus mitkämpfen können, der heute oder morgen losgehen kann.«
»Reden Sie lieber über Dinge, von denen Sie etwas verstehen, dann vergeht der Zorn. Wir haben nicht einmal genug Waffen, um unsere eigenen Soldaten für den Krieg
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