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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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gegen Deutschland auszurüsten, der bald kommen wird – nicht heute und nicht morgen, aber nach der Ernte, vielleicht im August. Und jetzt erzählen Sie weiter von Ihren Ehemännern. Das ist viel interessanter.«
    »Es sind nur zwei. Mein erster war ein Konservativer und mein zweiter ein Kommunist.«
    »Genau, wie ich vermutete, Ihr erster ist reich, Ihr zweiter ist arm. Ich habe sofort gesehen, dass Sie einmal mit einem reichen Mann verheiratet waren, das Reisenecessaire und der Pelzmantel, obwohl die Farbe scheußlich ist, und soweit man sehen konnte – Sie trugen ihn ja über dem Arm –, ist er auch scheußlich geschnitten. Dennoch, vison ist meistens ein Zeichen dafür, dass ein reicher Mann nicht allzu weit entfernt ist. Diesem entsetzlichen Leinenkostüm, das Sie da tragen, sieht man andererseits auf hundert Meter an, dass es von der Stange ist.«
    »Sie sind grob, es ist ein sehr nettes Kostüm.«
    »Und auch noch vom vergangenen Jahr. Die Jacken gehen jetzt in die Länge, wie Sie noch feststellen werden. Ich werde Ihnen ein paar Kleider besorgen – schick angezogen, würden Sie recht gut aussehen, obwohl Ihre Augen wirklich klein sind. Zwar blau, eine schöne Farbe, aber klein.«
    »In England«, sagte Linda, »gelte ich als Schönheit.«
    »Nun, dafür spricht einiges.«
    So zog sich dieses alberne Gespräch in die Länge, aber es war nur das Wellengekräusel an der Oberfläche. Linda spürte etwas, das sie bisher noch nie bei einem Mann gespürt hatte, eine überwältigende körperliche Anziehung. Ihr wurde ganz schwindelig davon, und es erschreckte sie. Sie sah, dass Fabrice mit völliger Sicherheit zu wissen glaubte, worauf es hinauslaufen würde, und auch sie war sich dessen vollkommen sicher, aber gerade das machte ihr Angst. Wie konnte es geschehen, dass sie, die beiläufige Affären immer verabscheut und verachtet hatte, sich von irgendeinem hergelaufenen Ausländer aufgabeln ließ und, nachdem sie ihn nur eine Stunde kannte, keinen sehnlicheren Wunsch hatte, als mit ihm ins Bett zu gehen? Dabei sah er nicht einmal gut aus, er war genauso wie Dutzende anderer schwarzhaariger Männer mit Homburgs, die man in den Straßen jeder französischen Stadt sehen kann. Aber es gab da etwas in der Art, wie er sie ansah, das ihr das Gleichgewicht raubte. Sie war tief bestürzt und gleichzeitig heftig erregt.
    Nach dem Luncheon verließen sie das Restaurant und schlenderten durch strahlenden Sonnenschein.
    »Kommen Sie, ich zeige Ihnen meine Wohnung«, sagte Fabrice.
    »Lieber würde ich mir Paris ansehen«, erwiderte Linda.
    »Kennen Sie Paris gut?«
    »Ich war noch nie hier.«
    Fabrice war aufrichtig bestürzt. »Noch nie hier gewesen?« Er konnte es nicht glauben. »Wie schön für mich, dass ich Ihnen alles zeigen darf. Es gibt so viel zu zeigen, das wird Wochen dauern.«
    »Leider«, sagte Linda, »reise ich morgen nach England ab.«
    »Ja, natürlich. Dann müssen wir alles heute Nachmittag ansehen.«
    Sie fuhren langsam durch ein paar Straßen, überquerten einige Plätze und machten dann einen Spaziergang im Bois. Linda konnte gar nicht fassen, dass sie eben erst angekommen war, dass dies immer noch derselbe Tag war, den sie durch ihren morgendlichen Tränenschleier so voller Verheißungen hatte heraufdämmern sehen.
    »Was für ein Glück Sie haben, in einer solchen Stadt zu wohnen«, sagte sie zu Fabrice. »Sehr unglücklich könnte man hier gar nicht sein.«
    »O doch!«, entgegnete er. »Die eigenen Gefühle werden in Paris intensiviert – man kann hier glücklicher und auch unglücklicher sein als irgendwo sonst. Aber hier zu leben ist tatsächlich ein immerwährender Anlass zur Freude, und niemandem ist so elend zumute wie einem Pariser, den es aus seiner Stadt verschlagen hat. Die übrige Welt erscheint uns unerträglich kalt und öde, fast unbewohnbar.« Er sprach mit viel Gefühl.
    Nach dem Tee, den sie in einem Gartenlokal im Bois tranken, fuhr er langsam nach Paris zurück. Vor einem alten Haus in der Rue Bonaparte brachte er den Wagen zum Stehen und sagte noch einmal: »Kommen Sie, ich zeige Ihnen meine Wohnung.«
    »Nein, nein«, sagte Linda. »Es ist an der Zeit, darauf hinzuweisen, dass ich une femme sérieuse bin.«
    Fabrice brach wieder in sein schallendes Gelächter aus. »Oh«, stammelte er und schüttelte sich vor Lachen, »wie komisch Sie sind. Was für ein Ausdruck, femme sérieuse, woher haben Sie ihn? Und wenn Sie so ernsthaft sind, wie erklären Sie dann den zweiten

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