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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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Spanisch-Wörterbuch zurück und notierte sich viele, viele Wörter und Wendungen auf einem Blatt Papier. Dann bat er Juan in Onkel Matthews Geschäftszimmer und schloss die Tür.
    Es dauerte nicht lange, und sie kamen wieder heraus, beide mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht.
    »Du hast ihn doch hoffentlich an die Luft gesetzt?«, meinte Onkel Matthew argwöhnisch.
    »Nein, keineswegs, ich habe ihn nicht an die Luft gesetzt«, sagte Davey, »im Gegenteil, ich habe ihn eingestellt. Meine Lieben, ihr kommt nicht darauf, es ist zu schön, um wahr zu sein, Juan ist Koch, vor dem Bürgerkrieg war er, soweit ich verstanden habe, Koch bei irgendeinem Kardinal. Ich hoffe, es ist dir recht, Sadie. Mir kommt es vor wie die Rettung – spanisches Essen, so köstlich, so gar nicht stopfend, so bekömmlich, so reich an herrlichem Knoblauch. Ach, welche Freude, Schluss mit den Giftburgern – wie bald können wir Mrs. Beecher loswerden?«
    Daveys Begeisterung erwies sich als vollkommen berechtigt, und Juan in der Küche war der denkbar größte Erfolg. Er erwies sich nicht bloß als erstklassiger Koch, er besaß auch ein außergewöhnliches Organisationstalent, und wurde, wie ich vermute, schon bald zum König des örtlichen Schwarzmarkts. Jetzt war keine Rede mehr davon, ein paar Leckerbissen aus diesem und jenem zu improvisieren; bei jeder Mahlzeit kamen nun Geflügel, Fleisch und Schalentiere in Hülle und Fülle zum Vorschein, das Gemüse war von erlesenen Saucen umflossen, und die Grundlage für das Dessert bildete offenbar echte Eiscreme.
    »Juan ist wunderbar«, erklärte Tante Sadie auf ihre unbestimmte Art, »er macht wirklich etwas aus den Zuteilungen. Wenn ich an Mrs. Beecher zurückdenke – Davey, das war wirklich eine gute Idee.« Eines Tages meinte sie: »Ich hoffe nicht, dass das Essen jetzt zu reichhaltig für dich ist, Davey?«
    »Aber nein«, entgegnete Davey. »Reichhaltiges Essen macht mir nie etwas aus, es ist das armselige Essen, das einem so ungeheuer zu schaffen macht.«
    Außerdem war Juan von morgens bis abends mit Einpökeln und Einkochen und Einlegen beschäftigt, bis der Vorratsschrank, den er, abgesehen von ein paar Suppendosen, leer vorgefunden hatte, aussah wie ein Lebensmittelladen vor dem Krieg. Davey nannte ihn Aladins Höhle oder kurz und bündig Aladin und hielt sich oft lange darin auf, um sich am Anblick all der guten Dinge zu weiden. Wohlschmeckende Vitamine für viele lange Monate standen da säuberlich aufgereiht, ein Schutzwall zwischen ihm und dem Hungertod, der unter dem Regiment von Mrs. Beecher stets hinter der nächsten Ecke zu lauern schien.
    Juan selbst hatte sich sehr verändert, er war nicht mehr der schmutzige, erbärmliche Flüchtling, der so missmutig herumgesessen hatte. Er war sauber, trug eine weiße Jacke und eine weiße Mütze, schien geradezu körperlich gewachsen und waltete schon bald mit großer Autorität seines Amtes. Sogar Onkel Matthew äußerte seine Anerkennung.
    »Wenn ich die Hopse wäre«, sagte er, »würde ich ihn heiraten.«
    »Wie ich die Hopse kenne«, meinte Davey, »wird sie das ohne Zweifel tun.«

    Anfang November musste ich für einen Tag nach London, um etwas für Alfred zu erledigen, der jetzt im Mittleren Osten war, und um meinen Arzt aufzusuchen. Ich fuhr mit dem Acht-Uhr-Zug, und da ich seit einigen Wochen nichts von Linda gehört hatte, nahm ich ein Taxi und fuhr gleich in den Cheyne Walk. In der Nacht hatte es einen schweren Luftangriff gegeben, und ich kam durch Straßen, die mit glitzernden Glassplittern übersät waren. Viele Brände schwelten immer noch, Feuerwehren, Krankenwagen und Rettungsleute waren überall unterwegs, manche Straßen waren blockiert, und wir mussten mehrmals lange Umwege fahren. Große Aufregung lag in der Luft. Menschengruppen hatten sich vor den Geschäften und Häusern gebildet, und es sah so aus, als wollten sie Schulzeugnisse miteinander vergleichen; mein Taxifahrer redete über seine Schulter hinweg ununterbrochen auf mich ein. Er war die ganze Nacht auf den Beinen gewesen, so erzählte er, und hatte den Rettungsmannschaften geholfen. Er schilderte, was er gefunden hatte.
    »Es war eine schwammige rote Masse«, erklärte er in makabrem Ton, »voller Federn.«
    »Federn?«, fragte ich entsetzt.
    »Ja. Ein Federbett, verstehen Sie? Es atmet noch, also fahre ich es zum Krankenhaus, aber die sagen mir, bei ihnen sei ich falsch, bringen Sie es zur Leichenhalle. Da habe ich es in einen Sack gesteckt und

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