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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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seinem Beistand wieder junge Füchse.
    Was mich anging, so begegnete ich meiner Mutter jetzt zum ersten Mal in meinem Leben direkt, von Angesicht zu Angesicht. Als Kind war ich von ihr wie verzaubert gewesen, und die wenigen Auftritte, die ich erlebte, hatten mich völlig geblendet, obgleich ich, wie gesagt, nie den Wunsch hegte, in ihre Fußstapfen zu treten. Mit viel Geschick hatten Davey und Tante Emily, vor allem Davey, sie nach und nach unmerklich, und ohne meine Gefühle zu verletzen, in eine Art Witzfigur verwandelt. Seit ich erwachsen war, hatte ich sie einige Male gesehen, hatte sie auch zusammen mit Alfred während unserer Hochzeitsreise besucht, aber der Umstand, dass wir trotz unserer innigen Beziehung keine gemeinsame Vergangenheit besaßen, erwies sich als große Belastung, und diese Begegnungen waren nicht sehr erfolgreich. In Alconleigh, wo ich nun morgens, mittags und abends mit ihr zusammen war, beobachtete ich sie mit der größten Neugier, denn sie war ja schließlich, von allem anderen abgesehen, auch die Großmutter meiner Kinder. Es überraschte mich selbst, wie gut sie mir gefiel. Zwar war sie die Albernheit in Person, aber ihre offene Art, ihre gute Laune und ihre unerschütterliche Gutmütigkeit hatten etwas Gewinnendes. Die Kinder – die von Louisa ebenso wie meine eigenen – beteten sie an. Bald entwickelte sie sich zu einem weiteren, inoffiziellen Kindermädchen und machte sich in dieser Eigenschaft sehr nützlich.
    In ihrem ganzen Auftreten war sie seltsam altmodisch. Sie schien immer noch in den Zwanzigerjahren zu leben, als hätte sie mit fünfunddreißig beschlossen, nicht weiter zu altern, als hätte sie sich damals geistig und körperlich eingepökelt und versiegelt – ohne Rücksicht auf die Tatsache, dass die Welt sich veränderte und sie selbst rasch dahinwelkte. Sie hatte einen kurzen kanariengelben Herrenschnitt (zerzaust) und trug Hosen wie jemand, der durch seinen Nonkonformismus provozieren will, ohne zu ahnen, dass jedes vorstädtische Ladenmädchen es längst genauso macht. Was sie sagte, der Blickwinkel, den sie dabei einnahm, selbst der Jargon, den sie benutzte – alles gehörte den späten Zwanzigerjahren an, von denen uns inzwischen mehr als eine Ewigkeit trennte. Sie war völlig unpraktisch und töricht und machte einen gebrechlichen Eindruck, musste aber in Wirklichkeit doch eine recht zähe kleine Person sein, denn immerhin hatte sie zu Fuß die Pyrenäen überquert, war aus einem spanischen Lager geflohen und hatte bei ihrem Erscheinen in Alconleigh ausgesehen, als hätte sie eben noch als Chorus-Girl in No, No, Nanette mitgetanzt.
    Es entstand im Haus zunächst einige Verwirrung, weil sich niemand erinnern konnte, ob sie den Major am Ende nun geheiratet hatte oder nicht (er war selbst verheiratet gewesen und Vater von sechs Kindern), sodass wir nicht wussten, ob sie nun Mrs. Rawl oder Mrs. Plugge hieß. Rawl war ein Großwildjäger gewesen, der einzige Ehemann, den sie auf ehrbare Weise, durch den Tod, verloren hatte. Auf einer Safari hatte sie ihn versehentlich in den Kopf geschossen. Die Namensfrage wurde jedoch bald mithilfe ihres Lebensmittelkartenhefts gelöst, welches sie als Mrs. Plugge auswies.
    »Dieser Tschuahn«, meinte Onkel Matthew, als sie ungefähr eine Woche in Alconleigh waren, »was soll denn nun aus ihm werden?«
    »Tja, Matthew, Lippling«, sie süßte ihre Sätze gern mit dem Wort Liebling, und so sprach sie es aus. »Hu-arn hat mir das Leben gerettet, weißt du, nicht nur einmal, sondern oft, da kann ich ihn doch nicht einfach in kleine Stücke reißen und wegwerfen, mein Lieber, oder?«
    »Einen Haufen Dagos kann ich hier nicht verköstigen, verstehst du.« Onkel Matthew sagte das in dem gleichen Ton, in dem er früher Linda erklärt hatte, sie solle sich nicht noch mehr Tiere anschaffen, und wenn sie es dennoch täte, würden sie im Stall untergebracht. »Du musst dir für ihn etwas anderes überlegen, Hopse, tut mir leid.«
    »Ach, Lippling, lass ihn noch ein bisschen dableiben, bitte, nur ein paar Tage, Matthew, Lippling«, sie klang wie Linda, wenn sie sich für irgendeinen muffigen Hund ins Zeug gelegt hatte, »und ich verspreche dir, dass ich ein Plätzchen für ihn und meine Wenigkeit finden werde. Du glaubst nicht, was für eine schlimme Zeit wir hinter uns haben, ich muss jetzt zu ihm halten, ich muss einfach.«
    »Gut, noch eine Woche, wenn es sein muss, aber das ist nicht das dünne Ende vom Keil, Hopse, und danach muss er

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